Editorial
Besonderes Merkmal des Studio Magazins sind die persönlichen Kommentare des Chefredakteurs Fritz Fey auf seiner Editorial-Seite. Hier finden Sie eine kleine Auswahl von Texten, die in über 40 Jahren Studio Magazin entstanden sind und sich kritisch, nachdenklich oder humorvoll mit zeitaktuellen Branchenentwicklungen oder Trends auseinandersetzen.
500
Wenn Sie dem damals 26jährigen Fritz Fey erzählt hätten, dass er die Gelegenheit haben würde, im Jahre 2023 ein Editorial zur 500. Ausgabe des Magazins zu schreiben, dessen Idee im Sommer 1977 aus einer Laune heraus geboren wurde, hätte er sicher nur ungläubig bis hilflos gelächelt. Studio Magazin startete mit der ersten Ausgabe im Januar 1978 als ‚karitatives‘ Projekt neben meinem Hauptberuf als freiberuflicher Toningenieur, als monatlich erscheinende Informationsquelle für Kollegen, denen die Lektüre englischsprachiger Fachzeitschriften zu mühsam war. Es bedurfte einer großen Portion Naivität und Unwissenheit, um sich auf einen solchen Plan einzulassen, aber davon hatte ich natürlich jede Menge. Erstaunlich war, dass bereits im ersten Jahr erkennbar wurde, dass diese ‚Bildungsmission‘ tatsächlich auch wirtschaftlich funktionieren könnte, als seriöse Existenzgrundlage, und so wurde bereits ein Jahr später im Januar 1979 der Studio Presse Verlag als GmbH gegründet. Es war gar nicht so einfach, zumindest einigen der Hersteller und Vertriebe, die man in dieser Zeit noch ‚an zwei Händen‘ abzählen konnte, zu erklären, wie Anzeigenwerbung funktioniert, denn die Industrie kannte in dieser so übersichtlichen Branche beinahe jeden Kunden persönlich und wusste, was dieser vermutlich als Nächstes brauchen könnte und wie lange das vorhandene Equipment schon in Betrieb war. In dieser Zeit muss auch der Gedanke der ‚Pro-Audio-Familie‘ seinen Ursprung gehabt haben, als jeder noch jeden kannte. Den Fritz von früher und den Fritz von heute verbindet etwas ganz Wichtiges, nämlich die Leidenschaft und Liebe für das, was der eine getan hat und der andere immer noch tut. Damals war es die kindliche Begeisterung für die Technik und die Neugier auf die nächste Entwicklungsstufe, heute ist es eher die Frage danach, welche Rolle eine Technik, die inzwischen alles kann und sich in Richtung ‚künstliche Intelligenz‘ entwickelt, in der Kunst spielt, oder ob sie, viel wahrscheinlicher, schon selbst Teil der Kunst ist. Die kindliche Freude und die leuchtenden Augen, wenn ich vor einem neuen Gerät oder einer neuen Software sitze, hab ich mir bis heute bewahren können und das ist wirklich allerhand für einen alten Mann, der theoretisch schon sieben Jahre in Rente sein könnte. Die Beschränkung, die in der frühen Spezialisierung auf professionelle Audiotechnik lag, sollte sich im Laufe der Jahrzehnte als Überlebensstrategie für das Studio Magazin erweisen. Wir entwickelten ein starkes Profil, während der Markt in alle Richtungen wuchs und wucherte, so dass die Profis schließlich nur noch einen kleinen, exklusiven Branchenkern besetzten, während sich inzwischen jeder Haushalt und jedes Kinderzimmer mit Medientechnik für die eigene Inszenierung ausstattete. Selbst Homerecording wirkt heute angesichts der Massen von Podcastern, Bloggern und YouTubern, von TikTok und Instagram, schon fast wie ein Nischenmarkt. Unterdessen haben wir es uns als ‚Gralshüter‘, in aller Bescheidenheit, in der Pyramidenspitze bequem gemacht, mit einer wirklich atemberaubenden Aussicht auf ein ganzes Universum von Kreativen oder solchen, die es gerne wären. Eine kleine Gruppe von Fachkräften und professionellen Anwendern schwenkt tapfer die Pro-Audio-Fahne im Bemühen um die Definition des Begriffs ‚Audioqualität‘, vergleichbar mit dem kleinen gallischen Dorf, in dem Asterix und Obelix zu Hause sind, das als letztes noch Widerstand leistet. Studio Magazin schließt 2023 sein 46. Erscheinungsjahr ab, so dass für mich ein mögliches nächstes Jubiläum – 50 Jahre Studio Magazin – tatsächlich in sehr greifbare Nähe rückt. Aber eigentlich denke ich viel lieber an den Inhalt der nächsten und der übernächsten Ausgabe, denn das ist der Motor, der mich täglich antreibt. Wenn ich in mein Studio gehe, um zu ‚arbeiten‘; wenn ich für Menschen schreibe, die die gleiche Leidenschaft wie ich spüren, wird mir jedes Mal klar, was für ein verdammter Glückspilz ich bin. Auf die nächsten 500 Ausgaben anzustoßen, wäre vielleicht etwas optimistisch, zumindest, was meine aktive Mitwirkung betrifft, aber Lust habe ich noch für viel mehr…