Neues Jahr, alte Probleme?

Wir haben stets die Erwartung, dass ein neues Jahr Veränderungen mit sich bringt, hoffentlich zum Guten oder Besseren, aber meistens werden die Weichen für Veränderungen zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt gestellt und wir sind nur allzu oft selbst dafür verantwortlich, was mit uns geschieht. Angesichts der überaus kritischen weltpolitischen Lage und aberwitziger Entwicklungen in unserer Gesellschaft, ist es manchmal ganz gut, kleiner zu denken, und in sein unmittelbares Umfeld zu schauen. Wir alle genießen das Privileg, unser Hobby zum Beruf gemacht haben zu dürfen. Dafür sollten wir dankbar sein, denn nicht jeder hatte die Chance, sich so zu entscheiden. Dabei weiß ich ja genau, wie schwierig es geworden ist, die Leidenschaft ob der schwachen wirtschaftlichen Grundlage aufrecht zu erhalten. Wir haben keine Gewerkschaft, die für ein besseres Einkommen oder ein stabiles, angemessenes Honorar- oder Preisniveau kämpft. Jeder kämpft für sich selbst und meistens gegen alle anderen. Dabei könnte die Welt für uns doch so einfach sein, wenn wir aufhören würden, uns unter Preis zu verkaufen. Ja, richtig, das sagt sich so leicht hin, wenn einem das Wasser ständig bis zum Hals steht, aber verändern wird sich definitiv nichts, wenn wir so weitermachen. Eigentlich ist es doch verrückt, dass es in den Zeiten, als Studiotechnik noch Hunderttausende kostete, besser lief, als heute, wo man für eine Handvoll Euro eine komplette Produktionsanlage aufbauen kann. Aber genau dort ist ja auch der Grund zu finden. Studios führten ein exklusives Dasein, denn jeder, der eine Aufnahme machen wollte, musste die Preise, die aufgrund hoher Investitionskosten kalkuliert wurden, widerspruchslos bezahlen. Sonst gab es – richtig geraten – einfach keine Aufnahme. Studios waren, um dieses schreckliche Wort zu bemühen, alternativlos. Jetzt kann jeder, zumindest mit dem Glauben, antreten, alles selbst machen zu können. Was dabei herauskommt, ist viel Schrott, aber mitunter auch erfolgreiche Produktionen, die hundertmillionenmal auf Spotify oder Apple Music geklickt werden, mit dem Ergebnis, dass nicht mehr als 36 Euro fuffzig dabei rumkommen. Das Geld wird heutzutage wieder auf der Bühne verdient. Zu Tonträgerzeiten hätte man sich vom Erlös des Plattenverkaufs für jeden Tag der Woche einen anderen Ferrari kaufen können, was, nebenbei gesagt, ja auch irgendwie völlig absurd ist. Aber immerhin waren die Studios angemessen bezahlt, konnten aber dem Künstler trotzdem nur hinterherschauen, wenn er mit qualmenden Reifen seiner Rennsemmel vom Hof schlingerte. Handwerk hat goldenen Boden, heißt es, unser Handwerk bewegt sich unterdessen auf sehr dünnem Eis. Das hat wahrscheinlich auch mit der Leidenschaft zu tun, und mit der ständigen Versuchung, Geräte zu kaufen, die man nicht braucht, aber doch so gerne haben will. Anders kann ich mir nicht erklären, warum in dieser Pleiteszene immer noch Boutique-Geräte für Tausende von Euro gekauft werden. Aber selbst, wenn man das lässt und sich auf das unbedingt technisch Notwendige beschränkt, schrammt der Stundenlohn für die eigentliche Arbeit immer noch knapp an der Armutsgrenze vorbei. Sind wir denn alle völlig verrückt, uns das gefallen zu lassen? Wir sind verrückt, ganz bestimmt, und wir lassen uns das gefallen, weil wir den Job nicht lassen können. Studiotage fühlen sich für mich wie Freizeit an, das war früher so und ist heute nicht anders. Trotzdem leisten wir mit fröhlichem Pfeifen Knochenarbeit bis in den frühen Morgen, die sich für so wenig Geld kein anderer antun würde, weil ihm das ‚Passions-Gen‘ fehlt. Ich würde ja gerne eine Gewerkschaft gründen, die sich für die Interessen von Tonleuten und Tonstudiobetreibern stark macht. Das ist aber nicht zu schaffen, also muss jeder für sich selbst Gewerkschaft spielen. Massensolidarität ist leider Science Fiction. Wenn zehn Studios den Kunden wegen menschenunwürdiger Preisvorstellungen nach Hause schicken, wird der Elfte leider doch wieder schwach, weil es ihm noch schlechter als den zehn anderen geht. Ich kann nichts ändern an dieser Situation, aber vielleicht nehmen Sie sich einmal die Zeit, ein paar Gedanken dazu fliegen zu lassen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesundes, erfolgreiches und friedliches neues Jahr 2017.

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