Wegstecken

Der Begriff ‚Plug-In‘ wollte mir in seiner Bedeutung noch nie so richtig einleuchten. Ins Deutsche übersetzt könnte man ‚einstecken‘ sagen, aber wer steckt (sich) da etwas ein? Betrachtet man ein Plug-In als Gerät, so wird es entweder in einen Signalweg eingeschleift oder aber durch ein Signal angesteuert. Wer auch immer diesen Begriff geprägt haben mag, ihm fiel in diesem Moment vielleicht nichts Besseres ein. Inzwischen haben wir uns so sehr an diesen Ausdruck gewöhnt, dass wir nicht mehr nach seiner Bedeutung fragen. Mit etwas Fantasie geht es ja nun schließlich auch. Die ‚Erfindung‘ des Plug-Ins war ein bedeutsamer Meilenstein in der Geschichte der digitalen Audioworkstations, denn sonst wären sie möglicherweise auf ewig eine ‚Bandmaschine mit erweiterten Schnittmöglichkeiten‘ geblieben. Mit steigender Rechenleistung der DSP-Hardware und auch der Computer-Hosts für native Systemumgebungen zog die DAW immer mehr Arbeit aus ihrem Umfeld auf sich und machte externe Hardware zusehends arbeitslos. Als wir noch gemeinsam die Nase über die Qualität von Plug-Ins rümpften, lagen wir jedoch eigentlich gar nicht so verkehrt, denn bis heute ist der überwiegende Teil des Plug-In-Marktangebotes Schrott – eine Verlegenheitslösung, weil man irgendetwas braucht, um dem Anwender von Audio-Software so etwas wie eine unerschöpfliche Funktionsvielfalt vorzugaukeln. Aber wer will die eigentlich? So manches DAW-Software-Paket schleppt ein kostenloses Angebot von Plug-Ins wie Lametta am Weihnachtsbaum mit sich herum, wovon man im günstigen Fall vielleicht eine Handvoll wirklich effektiv einsetzen kann. Nun ist die Frage nach der Brauchbarkeit eines Plug-Ins natürlich auch eine Frage des Anspruchs an die Audioqualität. Insofern gilt das von mir Gesagte natürlich nur für Kollegen, die es mit ihrer Arbeit wirklich ernst meinen. Ich denke einmal zurück an die Zeit, in der Plug-Ins noch 19-Zoll-Geräte waren, die in großer Zahl den Markt bevölkerten. Auch damals fragte ich mich gelegentlich, warum jeder, aber auch wirklich jeder einen EQ, einen Kompressor, ein Noise Gate, einen Begrenzer bauen musste, frei nach dem Motto ‚Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nicht von allen‘. Oft haben wir gelacht, wenn auf einer Messe wieder fünf neue Kompressoren vorgestellt wurden, die wirklich niemand brauchte, weil sie Plagiate einer Idee waren, die man eben nur einmal haben kann. Was ist von diesem ganzen 19-Zoll-Müll übrig geblieben? Da kann man ja heute noch regelrecht dankbar sein, denn Software lässt sich glücklicherweise ohne Rückstände entfernen, sie ist aber auch preiswerter herzustellen, weshalb wir heute als Toningenieure in einem Meer von Plug-Ins untergehen, das uns dazu zwingt, eine persönliche Auswahl zu treffen, denn mit irgendetwas müssen wir ja nun schließlich arbeiten. Auf diese Weise werden wir alle zwangsläufig zu unfreiwilligen Plug-In-Testern, die diesen ganzen Kappes erst einmal durchprobieren müssen, also nicht ‚einstecken‘, sondern ‚wegstecken‘ heißt die Devise. Dabei ist doch absolut klar, das weniger als zehn Prozent des Plug-In-Angebotes wirklich ernsthaft brauchbar ist. Ich würde sogar Wetten darauf abschließen, dass es weniger als 5, in Worten, fünf Prozent sind. Wenn Sie mich so spontan fragen, fallen mir vielleicht zehn Namen von Audio-Software-Anbietern ein, die wirklich gute Plug-Ins programmiert haben. Ich werde diese jetzt nicht nennen, aber machen Sie einmal selbst die Probe aufs Exempel: Bei fünf geraten Sie bereits ins Stocken, wenn Sie einen etwas höheren Maßstab anlegen; wenn nicht, können Sie sich glücklich schätzen, denn dann ist es im Grunde egal, welches Plug-In Sie benutzen und Sie brauchen auch nichts zu testen. Auch eine denkbare Alternative. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass unter unseren Lesern jemand zu finden ist, der es auf mehr als zwanzig Namen bringt...

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