Gute Sicht

Die traditionelle analoge Studiotechnik beinhaltete viele Beschränkungen durch eine reine Hardware-Auslegung: Mischpult, Bandmaschinen und Outboard-Equipment, alles in endlicher Kanalzahl, bestimmt durch die technologischen Möglichkeiten der Zeit und den Geldbeutel. Der enorme Vorteil dieser Epoche war die komplette Übersicht darüber, was auf allen Signalwegen gerade passiert. Das Studio war dank des permanenten Blickkontaktes zur gesamten Technik optisch stets transparent: Was läuft auf welchem Kanal mit welchem Pegel oder in welchem Pegelbereich, welche Geräte arbeiten in welchem Kanal und was tun sie gerade. ‚Beschränkung‘ gehört aktuell nicht mehr zum Wortschatz rechnerbasierter Studiotechnik, in der die Anzahl belegter Kanäle, Summen und Spuren, sowie der eingesetzten Geräte (Plug-Ins) nahezu beliebig erweitert werden kann, bis an die Grenzen einer immer weiter nach oben verschobenen Auslastungsgrenze moderner CPUs oder Accelerator-Hardware. Davon wird, wie jeder bestätigen kann, auch exzessiv Gebrauch gemacht – vielleicht einfach nur deshalb, weil es geht, aber das wäre ein ganz anderes Thema. Der Anspruch, möglichst jederzeit Blickkontakt mit einem Kanal oder einer Bearbeitungsstufe aufnehmen zu können, ist geblieben, nur leider nicht mehr bedingungslos umsetzbar. Wir können mit Hilfe von Computermonitoren immer nur Ausschnitte unserer komplexen Arbeitsumgebung sehen, auch wenn uns eingesetzte Hardware-Controller einen Teil dieser Aufgabe in fast traditioneller Manier abnehmen können. Aber auch Controller haben eine endliche Größe, so dass wir auch hier immer nur auf Projektausschnitte optischen oder gar haptischen Zugriff nehmen können. Das Display mit seiner gegebenen Darstellungsqualität und Auflösung hat hier in den vergangenen Jahren eine Schlüsselrolle eingenommen. In den meisten Studios sehe ich heute zwei Displays, eines für die DAW-EDL oder -Timeline und eines für den DAW-Mixer. Damit wird die klassische Übersicht über die ehemals wesentlichen Studio-Komponenten ‚Mischpult‘ und ‚Bandmaschine‘ geschaffen. Sobald ein Gerät im Mischpultkanal zum Einsatz kommt, versperrt das Plug-In-Fenster bereits die Sicht auf wesentliche Kanalaktivitäten und Pegelanzeigen. Die bisherige Lösung ist das Hinzufügen eines weiteren Bildschirms, auf dem ich dann, je nach Fensterskalierung, zumindest zwei oder drei Plug-Ins gleichzeitig sehen kann. Ich glaube, wir müssen uns zukünftig mehr Gedanken darüber machen, wie man das virtuelle Studio im Rechner überblicken kann, so dass alle wichtigen Informationen jederzeit zur Verfügung stehen. Dazu gehört beispielsweise heute auch der Summenpegel in TruePeak, RMS und LUFS. Das Instrument, das diese Informationen zeigt, müsste aber eigentlich auch permanent sichtbar sein. Ich stelle hier mal die Frage nach der Displaydarstellung der Zukunft. Wir leben diesbezüglich nämlich in einem Dilemma: Je höher die Auflösung des Bildschirms (zum Beispiel UHD mit 3840 x 2160 Bildpunkten bei einem Seitenverhältnis von 16:9), desto kleiner die Darstellung von Menüschrift, Icons und Bedienelementen. Es passt also mehr auf den Bildschirm, kann aber nur bei entsprechender Betrachtungsdistanz oder Bildschirmgröße ergonomisch sinnvoll dargestellt werden. Je geringer die Auflösung (zum Beispiel HD mit 1920 x 1080 Bildpunkten bei einem Seitenverhältnis von 16:9), desto größer und besser ablesbar die Darstellung, desto weniger passt aber auch auf die Bildfläche. Ich würde mir eine grafische Umgebung wünschen, mit einer frei skalierbaren Größendarstellung bei gegebener, maximaler Bildauflösung, damit ich nach eigener Priorisierung alle Elemente des Studios so klein oder so groß wie nötig unabhängig voneinander wählen kann. Dazu würde es jedoch einer neu zu entwickelnden grafischen Benutzeroberfläche mit frei skalierbaren Einzelelementen (Menüschrift, Icons, Bedienelemente) bedürfen. Ob es so etwas in der Zukunft geben kann, weiß ich natürlich nicht. Immer mehr Bildschirme sind jedenfalls keine dauerhafte Lösung.   

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