Jetzt wächst zusammen...
Manchmal entwickeln sich Dinge wirklich positiv, je nach dem, aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet. Sinngemäß hat einmal jemand gesagt, dass die Lieblingsmelodie mancher Musikproduzenten das Rascheln von Geldscheinen sei. Ein lächerlich peinliches Beispiel für diese These ist eine Manipulation der Charts durch den Musikproduzenten David Brandes, der in diesen Tagen vor laufenden Kameras im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zugegeben hat, durch den Kauf von 2.000 CDs die Single seiner Künstlerin Gracia in die Hitliste gehievt zu haben. Diesen kleinen Betrug findet Brandes im Übrigen (eigenes Zitat) moralisch okay, unter Berufung auf die Tatsache, dass viele in der Branche ihm gleichtun würden. Ja, er würde viel mehr, hätte er nicht so gehandelt, Wettbewerbsnachteile erdulden müssen. Eine Sonderform von Selbstjustiz also? Empfinde ich gerade so etwas wie Mitleid? Eine Posse aus der Gosse der Musikindustrie, so kommt es mir dann doch eher vor. Ganz sicher aber ein gefundenes Fressen für die Boulevard-Presse. Man könnte fast meinen, dies sei der zweite Akt des Popularitätssteigerungskonzeptes für die Künstlerin, sofern dieser Begriff, also ‚Künstlerin‘, überhaupt angemessen ist, obwohl ich mir natürlich nicht anmaße, am Talent dieser jungen Frau zu zweifeln, die sicher ein sehr netter Mensch ist und ihre Hoffnungen, wie viele andere auch, in die erfolgreiche Vermarktung ihrer Musik setzt. Doch merkwürdigerweise liegen immer dort die Verdächtigungen einer nicht auflösbaren Verknüpfung von Musik und Geld nahe, wo das künstlerische Niveau stark in Richtung Erdgeschoss, wenn nicht gar Keller tendiert. Und daher wächst dann in bestimmter Hinsicht auch zusammen, was zusammen gehört. Musik ist nicht erst seit heute für viele eine Ware, die man möglichst gewinnbringend unters Volk bringen sollte. Für viele jüngere Leute ist sie ein Sprungbrett zu leicht erworbenem Ruhm und Reichtum, seitdem man ihnen im Fernsehen vorführt, dass man nur ein bisschen tanzen und trällern können muss, um Autogramme auf die nackte Haut geben und die ganz große Kohle abräumen zu können. Für andere ist Musik Ausdruck eines Lebensgefühls, von Emotionen und Botschaften unterschiedlichster Art, von Traditionen oder aber auch ein Trainingsgelände für instrumentale Höchstleistungen, manchmal auch mehr im sportlichen als im musikalischen Sinne. Von Verkaufszahlen ist in allen letzt genannten Kategorien allerdings fast nie die Rede, wenngleich aus dieser Ecke echte ‚Millionseller‘ emporkommen, denen man nicht durch den organisierten Aufkauf einiger CDs auf die Sprünge helfen musste. Qualität, nicht Manipulation, setzt sich am Ende durch, so hoffe ich zumindest nach wie vor. Die junge Künstlerin, fühlt sich, wie die Presse hoffentlich korrekt zitiert, sehr schlecht, weil sie nicht weiß, wie sie sich wehren soll, findet allerdings die Gaunerei ihres Managers und Produzenten ‚nicht so verwerflich‘. Ich könnte mir vorstellen, dass noch eine Menge Dreck in der Folge dieses unappetitlichen Zwischenfalls fliegen wird. Sofern das als duldsam bekannte Publikum mitbekommt, wie es von der Musikindustrie an der Nase herumgeführt wird, könnte daraus vielleicht doch eine gewisse Protesthaltung erwachsen, die sich in Quoten ausdrückt, und da reagiert nicht nur die Musikindustrie ausgesprochen empfindlich. Der Verband der Phonographischen Industrie, in dessen Auftrag Media Control die Hitlisten recherchiert, hat nach diesem Vorfall Ermittlungen eingeleitet und nach Informationen des ‚Stern‘ vorläufig sechs von Brandes produzierten Platten aus den Charts ausgeschlossen. Ich kann mich an keinen vergleichbaren Vorgang aus jüngster oder fernerer Vergangenheit erinnern. Aber Schiedsrichter manipulieren ja auch Fußballspiele, Sänger singen nicht selbst, Politiker missbrauchen ihre Ämter, Bestechung, Korruption – jetzt ist es raus: Wir leben in einer Bananenrepublik... ich hätte mir ein Thema heraussuchen sollen, für das jemand bereit ist, viel Geld zu bezahlen...