Höret und staunet...
Gerade erst, Anfang Juni auf der Worldwide Developers Conference (WWDC), verkündete Apple CEO Tim Cook, dass die Welt, wie wir sie kennen, bald nicht mehr existieren wird. Seine Auftritte haben stets etwas unbeholfen Proklamatorisches, steht er doch für immer im Schatten des ‚Messias‘ Steve Jobs – diese Firma hält sich wirklich für den Dreh- und Angelpunkt der Welt. Das ist aber auch kein Wunder, denn die Apple-Jünger, neudeutsch Follower, zelteten dereinst nachts vor den Apple-Stores, um am Morgen als erste ein neues iPhone in Händen halten zu können, zu einem pervers hohen Preis. Inzwischen ist diese bedingungslose Begeisterung etwas abgeflacht, denn dem Unternehmen mit dem angebissenen Apfel fehlte in den vergangenen Jahren ein wenig die Inspiration. Es wurden auf den ersten Blick kaum unterscheidbare iPhone-Folgemodelle in schöner Regelmäßigkeit ans Licht der Welt geholt – 6, 7, 8, und die Fangemeinde konnte nur mit Mühe das Niveau der Begeisterung halten. Jetzt aber, im Jahre des Herrn 2019, wird alles anders. Tim Cook und sein Präsentationsteam zogen Neuheit für Neuheit aus dem Köcher, so dass die anwesenden Gemeindemitglieder im Begeisterungsrausch applaudierten: tvOS mit mehreren Zugängen und Unterstützung populärer Game-Controller wie Xbox und Playstation, watchOS 6 für Apple Watch, die ich immer für einen Rohrkrepierer gehalten hatte, aber von zahllosen Nutzern, ich ausgenommen, eines Besseren belehrt wurde, iOS 13, das neue iPhone Betriebssystem, iPadOS, ein eigenes Betriebssystem für das iPad, an das man nun, zum Beispiel, wie bei einem richtigen Computer, auch Festplatten und USB-Sticks anschließen kann, iTunes, abgelöst von drei neuen Apps (Apple Videos, Apple Music und Apple Podcasts, was wird nun aus MfiT?) – und dann der finale Tusch: der neue Mac Pro! Grundgütiger, eine neue Käsereibe, die aus der Zukunft zu uns kommt, mit einem Leistungspotential, das selbst gestandene Kenner der Computerszene staunend zurücklässt: Bis zu 28 Xeon-Rechenkerne, bis zu 1.5 Terrabyte RAM, alles in den Schatten stellende Grafikoptionen mit einem neuen 5.000 Dollar Retina XDR-Display (Extreme Dynamic Range), 8 PCI Erweiterungsslots (jetzt wird es für die Pro Tools User sehr interessant), Hardware-Beschleunigerkarten für Video, bis zu 4 Terrabyte SSD-Speicher, vollständige Schnittstellenauswahl, komplett modularer Aufbau – alles in einem futuristisch schlichten Gehäuse mit Edelstahlgerüst, das gleichermaßen Tragegriffe und Stellfüße aus dem Gehäuse ragen lässt. Man könnte meinen, Apple hätte sich vom hohen Lifestyle-Ross herunterbegeben und sich auf die professionelle Anwenderschaft zurückbesonnen, die dem Unternehmen auch in schlechten Zeiten treu blieb und sich über einige Jahre schlichtweg übersehen gefühlt haben muss. Wenn sich Apple ‚herunterbegibt‘, dann natürlich nicht, ohne die eigene Eitelkeit zu pflegen, denn man fühlte sich in jüngster Vergangenheit möglicherweise nicht ausreichend angebetet. Nun zurück auf den Boden der Tatsachen, falls Sie gerade schon gedanklich ein Pro Tools System mit 6 HDX-Karten zusammenstellen. Die voraussichtlich ab Herbst bestellbare Super-Maschine wird in einer Basisvariante mit 8-Kern-Xeon-Intel-Chip, 32 Gigabyte RAM und 256 GB SSD bereits 6.000 US-Dollar kosten. Eine für die überragenden Möglichkeiten angemessen ausgestattete Variante mit viel RAM und SSD rutscht nach ersten vorsichtigen Schätzungen leicht in den fünfstelligen Bereich, der keine 1 am Anfang führt. Das amerikanische Technikportal ‚The Verge‘ hat ausgerechnet, dass allein die zwölf 128-GB-RAM-Riegel derzeit 18.000 US-Dollar auf die Rechnung bringen würden, wenn man die maximale RAM-Ausstattung von 1.5 TB erreichen wollen würde (was man natürlich nicht muss). Es ist nur ein Beispiel, aber ich lese da eine Zahl mit 35 und drei Nullen für eine sehr gut ausgestattete Maschine, die offenbar der neue Apple-Imageträger werden soll. Spätestens jetzt wissen wir wieder, mit wem wir es zu tun haben, mit fast 1 Billion US-Dollar dem wertvollsten Unternehmen der Welt, und das soll vermutlich möglichst auch so bleiben.