Ein neues Zuhause

Noch ein wenig gehörgeschädigt von der Musikmesse zurück in der Heimat, drängte sich mir die Frage auf, auf welcher Messe sich heute eigentlich noch die Klang- und Qualitätsfetischisten des musikproduzierenden Gewerbes zuhause fühlen können? Die europäische AES Convention, die diese Rolle über Jahrzehnte übernommen hatte, führt seit nunmehr zehn Jahren ein armseliges Schattendasein, die Tonmeistertagung findet auch nach dem erfolgreichen Umzug nach Köln noch nicht so richtig Zugang zu diesem, zugegebenermaßen sehr speziellen Thema und die Musikmesse/Prolight+Sound hat gerade ganz andere Probleme (siehe Messebericht in dieser Ausgabe). Sie war aber eigentlich auch noch nie die richtige Adresse für die Arbeit im Studio, sondern wurde von den entsprechenden Unternehmen aus Mangel an Alternativen geentert. Die diesjährige Frankfurter Runde mit einer Halle 9.1, die es geschafft hat, einen traurigen Rekord für sich zu verbuchen, nämlich die 100 dBA Lärmmarke zu durchbrechen, war sicher nicht der richtige Ort, um über klare Mitten, neue Wandlerkonzepte, geschmackvolle analoge Werkzeuge oder die Vorteile externer Taktgeneratoren zu diskutieren, geschweige denn, sie anhand von Klangbeispielen zu erleben. Mit anderen Worten, wohin mit unserer Leidenschaft für den guten Ton und die feinen Details, die wir täglich mit individuell ausgesuchtem Boutique-Equipment herauszuarbeiten versuchen? Wir erinnern uns an den heldenhaften Einsatz von Tom Jansen, die Hi End Gear rein privatinitiativ etablieren zu wollen. Zweimal fand dieses Ereignis statt, einmal in Köln und einmal in Hamburg. Gescheitert ist es keineswegs konzeptionell, sondern am Mangel von personeller Kraft und finanziellem Unterbau. Aber die Idee war richtig gut und genau das, was uns in der Messelandschaft heute fehlt. In der Woche vor der Musikmesse bewies die Firma Schoeps mit dem 1. Mikroforum, dass die Welt klein sein darf und trotzdem erfolgreich ist (Bericht in dieser Ausgabe). Auch die viel diskutierte Synthesizer-Messe Superbooth, die erstmals in diesem Jahr im Funkhaus Berlin an der Nalepastraße stattfand, war ein so großer Erfolg, dass die Wiederholung in 2017 bereits beschlossene Sache ist. Spezielles Thema, intime Runde, viel Output. Genau so lassen sich Spezialthemen zielführend abhandeln. Warum sollte so etwas nicht auch für unser Lieblingsthema, den Klang der Musik, möglich sein? Ich stelle mir vor, wie wir uns zum Beispiel alle zwei Jahre, im so genannten tonmeistertagungsfreien Jahr, auf der ‚Inter-Nerd‘ zusammenfinden, um uns in themengerechter Atmosphäre über analoge und digitale Schätze zu unterhalten, diese in einer Studiosituation auszuprobieren und zu erleben, oder, wenn man es nicht mehr aushalten kann, auch direkt dort kaufen zu können. Dazu ein exklusives Vortragsprogramm für eine exklusive Runde, mit Leuten, denen wir gerne zuhören, aus den Bereichen Recording, Mixing und Mastering, die uns einen Einblick in ihre Arbeitsweise geben, entsprechende Klangbeispiele vorführen oder unser Hintergrundwissen erweitern. Natürlich ist das eine Aufgabe, die man nicht so einfach aus dem Hut zaubern kann. Es braucht einen Veranstaltungsträger, der in der Lage ist, ein solches Projekt zu realisieren. Aber ist das so unwahrscheinlich? Ich glaube, fünfzig Unternehmen für eine solche Veranstaltung sind leicht an einen Tisch zu bringen und an Teilnehmermangel wird das Projekt erst recht nicht scheitern. Überschaubare Kosten für die Aussteller, ein moderates Eintrittsgeld, zwei oder drei intensive Bildungs- und Erlebnistage, ein passender Veranstaltungsort mit geeigneten Demobereichen, wäre das nicht eine fantastische Idee? Der gute Klang und die Leidenschaftstäter, die ihm täglich nacheifern, brauchen eine neue Heimat, die zurzeit auf keiner der existierenden Messen zu finden ist. Ich wäre sofort mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dabei. Gut, der Name ‚Inter-Nerd‘ bietet vielleicht noch Entwicklungsspielraum, aber schließlich zählt erst einmal die Mission...

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