Nicht mein Tag...

Was ist das nur für ein Wetter? Ich springe schnell ins Auto, um nicht zu spät zum Studiotermin zu kommen. Na prima, ich muss noch tanken, aber mein Mercedes fährt nicht mit Microsoft-Benzin. Das heißt Umweg. Auch das noch. Gerade rechtzeitig komme ich zum Produktionsbeginn im Studio an, aber der Kartenleser an der Tür ist defekt. Oder hab ich Dussel vergessen, die Freischaltgebühren zu überweisen? Manchmal wünsche ich mir, es gäbe nur noch Microsoft, dann wäre endlich Schluss mit der ewigen Inkompatibilität. Das Leben ist so kompliziert geworden. Mein Nokia-Smartphone synchronisiert sich seit zwei Tagen nicht mehr mit meiner Nuendo-Workstation, dabei hätte ich auf der Fahrt nach Hamburg im Auto so viel schaffen können. Letzte Woche scheiterte ich am Import von Wav-Files vom Audio-Server, weil ich vergessen hatte, meinen täglich wechselnden Zugangscode freischalten zu lassen. Während einer Produktion lief meine Lizenz für die Mastering-Plug-Ins ab. Wie peinlich, in Anwesenheit des Kunden, der mir mit seiner Chipkarte aushelfen musste, damit wir weiter arbeiten konnten. ‚One World, One Company‘, jeden Tag sehe ich diese Microsoft-Werbung im Fernsehen. Ich sehne mich nach Erleichterung in allen Bereichen. Internetzugang nur mit einem 20stelligen Key, Einkaufen nur mit Face-Scanning (neulich hatte ich mich eine Woche lang nicht rasiert und wurde von der vollautomatischen Kasse nach Hause geschickt, ohne Ware, versteht sich). Ich kann einfach nicht mehr und meinen Bekannten und Freunden geht es nicht anders. Ich erinnere mich nur ungern an das Erlebnis in der Autobahn-Raststätte. Der Türautomat erkannte mein Smartphone nicht und ich musste ins Gebüsch, damit die menschliche Notdurft nicht in der Hose landete. Ein Google-Beamter beobachtete mich dabei und brummte mir eine Woche Internet-Sperre auf. Das fehlt mir gerade noch... Kommt es Ihnen auch manchmal so vor, als würde in unserer Welt nichts mehr zusammenpassen? Zu viele verschiedene Netzwerkprotokolle, zu viele unterschiedliche Anschlussnormen, zu viele Formate und Normen, zu viele Zugangscodes und Pins, zu viele Betriebssystem-Versionen, zu viel von allem? Inkompatibilität ist eine der schlimmsten Seuchen in unserem Berufsfeld. Wir verbringen unsere Lebensjahre mit Konvertierung, Import, Export, mit Firewire und USB, mit AES, Adat und S/P-DIF, mit PCI-Express, AGP und SATA, mit XLR, Klinke, TT, Cinch, Sub-D, mit OS-X und XP, Windows 2003 Server und Vista, mit BWF, WAV, AIF, MP3, AAC, AC-3, DTS, DSD, DXD, 44.1, 48, 88.2, 96, 192 oder 384 kHz, mit DVD-Video, CD, Blu-Ray, HD-DVD, DVD-Audio, SACD. Mir reicht‘s ehrlich gesagt. Und wenn ich nach Hause komme, geht es weiter: 50 verschiedene Typen von Staubsaugerbeuteln, Premiere, Arena, Telekom, Ish, Maxdome, GEZ, Alice, O2, Freenet, GMX, Google, Yahoo, Arcor, Tele2, Halbzoll, 3/4-Zoll, 1-Zoll, ein Kaffeefiltergrößendschungel, 17 verschiedene Batterieformate, 148 Positionen auf der Speisekarte eines simplen Pizza-Taxis, Kreuzschlitz, Torx, Inbus, Sechskant und fünfzehn Steckernormen für Ladegeräte und Autotelefonhalterungen, Memory Stick, CompactFlash, Secure Digital, Mini-SD, Micro-SD, MMC, xD, Smart Media – nur um ein Urlaubsfoto zu speichern, hunderte von Toner- und Farbkartuschen für Drucker, Kunden- und Rabattkarten bis die Brieftasche platzt, Video-8, S-VHS, Hi8, HDCAM, D-VHS, DV und Mini-DV, MPEG einszweidreivierfünfsechssieben, Windows Media Video, RealMedia, Quicktime, 86 verschiedene Felgen- und Reifengrößen fürs Auto. Beim Lesen dieser kryptischen Zeilen werden Ihnen sicher noch viele andere Normen und Größen einfallen, mit deren Einhaltung oder Inkompatibilität Sie sich täglich herumärgern müssen. Sie haben noch keine Douglas-Karte? Keinen passenden Treiber für Ihre Grafikkarte? Keine Punktekarte bei Shell oder Aral? Eine alte Firmware auf Ihrem Elektrorasierer? Keine Ikea-, Karstadt-, Kaufhof-Kundenkarte? Wenn ich bei Google ‚Inkompatibilität‘ als Suchbegriff eingebe, erhalt

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