Entwertet

Ich weiß nicht, ob ich mich schon mal darüber aufgeregt habe und ob es am Ende nicht doch nur vergeudete Zeit und Energie ist – aber, was passiert da eigentlich gerade im Plug-In-Markt? Während die dort gehandelten Software-Werkzeuge immer innovativer, leistungsstärker und qualitativ hochwertiger werden, hauen sich einige Hersteller pausenlos unterirdische Sonderangebote um die Ohren. Man könnte da durchaus diesbezüglich auffällige Herstellernamen nennen, aber eigentlich kennen wir sie ja alle. Cyber Monday, Happy Weekend, Summer Sale, Black Friday, die Begriffsfindungen sind wenig kreativ, aber Hauptsache, man findet einen Grund, seine Produkte für eine Handvoll Euro verschleudern zu können, die für viel mehr Geld in der Preisliste stehen. Früher wurden auf dem Markt Fische vom LKW herunter verkauft… noch’n Hering und noch’n Kabeljau oben drauf und nen extra Rollmops, alles für vierfuffzich. Es roch etwas streng, und jedes Mal, wenn ich wieder ein EQ-Sonderangebot für 29 Euro sehe – ursprünglicher Preis 149 Euro – krieg ich diesen Fischgeruch in die Nase. Wenn sich sogenannte Audioprofis in den Foren über Software-Preise echauffieren, die ich in einer schnellen Kosten-Nutzen-Bewertung als extrem niedrig einstufen würde, wird mir klar, das professionelle Audiotechnik im Aggregatzustand eines Plug-Ins längst zum Grabbeltischprodukt verkommen ist. Nicht, dass ich mir direkt Sorgen machen würde, über Teile einer Industrie, die sich möglicherweise langfristig selbst hinrichten, aber betrachten wir doch einmal die Kundenseite. Was soll denn ein Kunde denken, der sich ein Plug-In zum Listenpreis kauft, wenn es nur kurze Zeit später bereits im Ramsch gelandet ist, für einen Bruchteil des bezahlten Preises? Richtig, er fühlt sich irgendetwas zwischen verarscht und betrogen. Die ersten werden die Doofen sein. Selbst neu am Markt vorgestellte Plug-Ins kommen schon zu einem sogenannten ‚Einführungspreis‘ – eigentlich 249 Euro, jetzt aber, weil wir uns so über unser neues Produkt freuen, nur 179 Euro. Welcher mit normalen Geistesgaben ausgestattete Kunde würde nach einer solchen Ankündigung noch 249 Euro auf den Tisch legen? Ich weiß, ich sehe das völlig falsch, wir sprechen hier doch gar nicht über professionelle Audiotechnik und Investitionsgüter. Tontechnik für jedermann ist die Grundlage für das Plug-In-Geschäft. Jeder Haushalt sollte Audio produzieren. Wenn bei einem Preis von 29 Euro 100.000 Plug-In-Sammler aus dem weltweiten Hobbylager zuschlagen, hat man 2.9 Millionen Umsatz gleich Gewinn mit einem Produkt gemacht, das am Markt vielleicht schon verbrannt war und sein Geld schon längst verdient hat, mit den Kunden, die Listenpreise bezahlen. Es sind ja keine Herstellungskosten zu berücksichtigen. Diese Zahlen werden nicht stimmen, wahrscheinlich ist das Ganze nicht so lukrativ (oder vielleicht noch viel lukrativer?). Darauf kommt es mir aber auch gar nicht so sehr an. Ich bin nicht neidisch auf das Geld, dass damit verdient wird, wenn dem denn so sein sollte, sondern ich ärgere mich über die Entwertung von Technologie, die man nicht nur in unserer Branche beobachten kann, und nicht nur bei Software. Die Wegwerfgesellschaft hat kein Werteverständnis mehr und offensichtlich auch kein Gewissen. Software ist in diesem Punkt ja noch enorm umweltfreundlich, weil sie sich rückstandslos entfernen lässt, ohne die Umwelt zu belasten. Wir haben es ja selbst in der Hand zu bestimmen, wie der Markt läuft, denn wir sind der Markt. Ich will nun auch nicht gerade erzwingen, dass Plug-In-Hersteller mehr Geld verdienen, weil der Markt kollektiv auf Sonderangebote verzichtet. Die Hersteller sollen einfach nur ehrlich mit uns sein. Wenn der berühmte EQ für 29 Euro nicht mehr wert ist, dann soll er auch von Anfang an nicht mehr kosten. Während ich diese Zeilen schreibe, flattert gerade eine E-Mail herein, die ich ohne Nennung von Namen zitieren möchte: Happy Independence Day! Special Offer! Bis zu 55 Prozent Preisersparnis. Und ja, es geht dabei um Audio-Software und ich könnte mich schieflachen darüber, von welchem Hersteller dieses Angebot stammt…

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