Mieten statt kaufen
Meine gute Freundin Daphne-Amina (Name von der Redaktion geändert) trifft sich regelmäßig am ersten Freitag im Monat mit fünf anderen Gesinnungsgenossinnen zu einem feucht-fröhlichen Nachmittag mit Prosecco, Kaffee, Kuchen und anderen Knabbereien. Aber das ist nicht der Hauptgrund für diese Veranstaltung. Da alle Damen in etwa die gleiche Konfektions- und Schuhgröße haben, werden rechtzeitig zum Ereignis zahlreiche Schuhe und Kleidungsstücke bei Tralanda und Mekoda bestellt, zum Zwecke der gemeinsamen Begutachtung und Anprobe. Manchmal ist sogar etwas dabei, das am Ende tatsächlich gekauft wird. Der (zahlenmäßig deutlich überwiegende) Rest wird wieder verpackt und zurückgeschickt – bis zum nächsten Wohnzimmer-Happening mit Hi Heels und schicken Kleidchen. Der Gesetzgeber schützt den Kunden durch großzügig ausgelegte Rückgabeverordnungen und absolut risikolosen Einkauf, setzt aber dem Online-Handel, der durchaus davon profitiert, damit auch ein faules Ei ins Nest, das ihm haufenweise B-Ware beschert, die dann zu reduzierten Preisen in den Handelskreislauf zurückgeführt werden müssen. Mit Damenoberbekleidung kenne ich mich nicht so gut aus, und kann daher nicht beurteilen, ob ein anprobiertes Kleidungsstück nicht auch wieder in den Neuwarenbestand gerät. Mit sechs Damen kann man dieses Spiel recht häufig treiben, ohne auf eine schwarze Liste zu geraten, obwohl gerade Online-Händler alles andere als von gestern sind. Online-Portale für Kleidung und Schuhe gibt es jedoch reichlich, so dass das lustige Damenclübchen fürs Erste nicht in Verlegenheit geraten wird, sich aus einem anderen Grund zu treffen. Zur Not bleiben immer noch Prosecco, Kaffee, Kuchen und andere Knabbereien. Daphne-Amina hat mir neulich erzählt, dass sie sich ein teures Business-Kostüm hat schicken lassen, für ein Vorstellungsgespräch. Einmal Anprobieren oder zu einem wichtigen Anlass tragen, das wäre doch kaum ein Unterschied. Gekauft hätte sie sich diesen Fummel sowieso nie, denn so etwas trage sie normalerweise nicht. Szenenwechsel: In früheren Jahren gab es Unternehmen, bei denen man Studioequipment mieten konnte, gegen Bezahlung, versteht sich. Der Preisverfall im Bereich der Studiotechnik und immer weiter zurückgedrängte, kostspielige Hardware entzogen diesem Geschäftsmodell die Grundlage. An diese Stelle ist ein neues Modell getreten, das von den Kunden selbst erfunden wurde: Online bestellen, eine Woche lang benutzen, und wieder zurückschicken. Mindestens vierzehn Tage Rückgaberecht ohne Angabe von Gründen, da kommt man doch auf Ideen. Auf diese Weise hat schon so mancher Kompressor oder EQ einen vorübergehenden Einsatz in einer wichtigen Produktion erlebt, um anschließend wieder ins Hochregallager zurückzukehren, vermutlich als B-Ware. Das Besondere an diesem ‚Vermietmodell‘. Die Auswahl ist groß und es verursacht beim Kunden keinerlei Kosten. Auch das Vergleichen von Studiomonitoren in der eigenen Regie ist vor diesem gedanklichen Hintergrund kein Problem mehr. Drei verschiedene Pärchen in den Warenkorb geklickt, mehrere Tage Hörvergleich, und anschließend zwei der drei ‚Testkandidaten‘ wieder zurückgeschickt, oder auch alle drei. Egal. Man muss eben einfach nur schmerzfrei genug sein, eine solche Aktion durchzuziehen. Vierzehn Tage sind ein lange Zeit, da kann man produktionstechnisch Einiges schaffen, mit ausgewähltem Equipment, ohne Reue, lediglich die Mühe der Kartonschlepperei könnte die ganz Faulen davon abhalten, dieses großzügige ‚Angebot‘ zu nutzen. Fatal dabei ist, dass auf diese Weise die beliebtesten und besten Geräte theoretisch ganz oben auf der Liste der häufigsten Retouren landen könnten, mit dem Ergebnis, dass der Hersteller mit einem guten Produkt in der Erfolgsbewertung abrutscht. Alle, die diesen Text lesen, sind natürlich von jeglichem Verdacht befreit, zu den ‚Bestellmoglern‘ zu gehören. Gelegenheit macht eben Diebe, in diesem Fall kleine Gauner, die den Ausschluss jeglichen Kaufrisikos für ihre Zwecke umfunktioniert haben...