The Revenge Of The Nerds

Vielleicht kennen Sie ja diesen ziemlich albernen Film gleichen Titels aus dem Jahre 1984, der bis in die späten 80er noch drei nicht minder alberne Folgen nach sich zog. Gut – das Drehbuch ist zwar eine weitere dumme Idee in der langen traurigen Geschichte dummer Ideen und handelt von zwei Verlierertypen auf dem College, die es am Ende allen zeigen, doch ist der inhaltliche Grundgedanke dennoch ein ernsthafter Aufhänger für meine herbstlichen Ausführungen. Ich möchte etwas konkreter werden, bevor ich Sie vollends irritiere: ‚Nerd‘ ist der amerikanische Begriff für einen in der Regel von pubertärer Akne geplagten, sich selten in der Sonne aufhaltenden Jugendlichen männlichen Geschlechts – eine Niete im Sport, keine Chance bei den Mädels, dafür aber meistens insgeheim Mathematik- oder Computergenie – in manchen Fällen auch Retter des Abendlandes gegen die düsteren Mächte eines irgendwie von Weltherrschaft besessenen Großkonzerns. Deutsch synchronisiert lief der Film unter dem Titel ‚Die Rache der Eierköpfe‘, eine nicht wirklich dem Begriff ‚Nerd‘ gerecht werdende Übersetzung. In meiner Jugend war ich eine Niete im Sport, mit der Akne hielt es sich in Grenzen, aber ich war nicht gerade das, was man unter einem jugendlichen Frauenheld mit stark ausgeprägten männlichen Attributen verstehen würde. Nachdem ich mich eigentlich schon mit meinem Schicksal abgefunden hatte, im zarten Alter von 13, nahte meine Konfirmation und damit ein verwandtschaftlicher Geldsegen von für diese Zeit (1964) schier unglaublichen 600 Mark, die unmittelbar in den Aggregatzustand einer elektrischen Gitarre und eines entsprechenden Verstärkers überführt wurden. Nur 2.895 Übungsstunden später fand ich mich bereits auf der Bühne des Oberhausener Jugendzentrums wieder, als vom heimischen Publikum umjubelter Sänger und Gitarrist. Und tatsächlich, wer hätte das gedacht, tuschelten die Mädels in der Fußgängerzone hinter mir her, und erstmals nicht wegen meiner unverkennbar unsportlichen Erscheinung. Das gab mir Auftrieb und verlangte nach Wiederholung, denn beim bloßen Tuscheln sollte es schließlich nicht bleiben. Ich darf Sie zu einem kleinen Zeitsprung ins Jahr 1972 einladen, dem Jahr meines beginnenden Daseins als Tonassistent in einem kleinen 8-Spur-Studio im dörflichen Kirchhellen bei Bottrop. Mein persönlicher Tuschelfaktor und seine höchst angenehmen Begleiterscheinungen erlebten nochmals eine dramatische Aufstufung, denn als Herr der Knöpfe konnte ich meine inzwischen langhaarige Erscheinung abermals mit einem gesteigerten Heldenstatus versehen. Immer häufiger wurde ich nach meinen Beziehungen zu prominenten Künstlern gefragt, regelmäßig erntete ich Bewunderung für den Umstand, die Bedeutung aller dieser Knöpfe zu kennen und wurde, allerdings häufiger als mir lieb war, um privaten Rat bei der Anschaffung der richtigen Stereoanlage ersucht. Sie werden mir jetzt hoffentlich nicht unterstellen wollen, meine Berufswahl hätte nur einen einzigen Zweck im Sinne meiner bisherigen Ausführungen verfolgt, aber ich gestehe: Die Annehmlichkeiten dieser diversen beruflichen Nebenerscheinungen blieben beileibe nicht ungenutzt. Ich war mir jedenfalls sicher, so etwas wie einen Traumberuf ergriffen zu haben, nicht schlechter als Pilot, Astronaut oder Rennfahrer. OK, schlechter bezahlt, das mag angehen. Wie ist es nun heute um den Heldenstatus eines Toningenieurs bestellt, der lediglich mit Bildschirm, Maus und Tastatur die Geschicke des Tons bestimmt, oberflächlich betrachtet an einem Büroarbeitsplatz mit Lautsprechern? Im gelobten Studioland Amerika hat der ‚Recording-Engineer‘ nur wenig von seiner Popularität eingebüßt, hierzulande rangiert er eher auf dem Niveau eines Toilettenmannes, egal, ob er an einem viermetersechzig langen Mischpult oder an einem unscheinbaren Laptop mit I/O-Interface sitzt. Dabei sind wir in diesem Tagen, angesichts der Künstler, die heute als Stars gehandelt werden, sehr viel mehr als früher so etwas wie Magier oder Heiler, die selbst noch einem minderbegabten Schulmädchen zu einem elektromagnetischen Scheindasein als umjubelte Pop-Prinzessin verhelfen können – von der über die Jahre massiv zurückgegangenen Höhe des Honorars einmal ganz zu schweigen. So wie die heutzutage landläufig eingesetzte ‚Studiotechnik‘ dramatisch an Wert und Exklusivität verloren hat, bewegt sich auch die Bedeutung desjenigen, der damit virtuos umgehen kann, nur ganz knapp über dem Nullpunkt der öffentlichen Wahrnehmung. Ich finde, wir haben etwas Besseres verdient – als gleichzeitig technisch-kreativ und künstlerisch veranlagte Experten, die zu wirklich großartigen Leistungen imstande sind. Wenigstens die Mädels könnten mal wieder hinter uns hertuscheln... Ach ja, warum Frauen diesen Beruf ergreifen wollen, behandeln wir dann im nächsten Kapitel... :)

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