Der moderne Arbeitsplatz

Vor vielen Jahren schon kreuzte ein futuristisches Bild eines zukünftigen Regieraums meinen Weg, der außer mit einer vollflächigen Displaywand und Lautsprechern lediglich mit einem bequemen Stuhl ausgestattet, ansonsten aber vollkommen leer war. Bedient wurde die natürlich komplett virtuell digitale Studioumgebung über eine minutiöse Fernbedienung, das gesamte Produktionsgeschehen spielte sich auf der sektionierten, überdimensionalen Displaywand ab. Nun, ganz so weit ist es in der Realität noch nicht gekommen, allerdings bewegen wir uns doch stark in diese Richtung, oder? Nicht so ganz, wenn man es genau betrachtet, denn es scheint so, als könnten wir doch nicht so richtig auf eine größere Hardware-Steueroberfläche verzichten, wenn die Produktionsprojekte eine gewisse Dimension annehmen. Alternative Bedienkonzepte graben allerdings schon länger an der Hardware-Vorherrschaft, allen voran natürlich die Tastatur und die Maus, die für viele Studios das einzige Werkzeug geworden sind. Diese weithin akzeptierte Verbindung zwischen Mensch und Maschine hat dennoch eine ‚indirekte‘ Komponente, denn unsere Haptik ist allenfalls noch bei feinfühligem Schieben der Maus und Drehbewegungen am Mausrad gefragt. Inzwischen entwickelt sich die Multitouch-Technologie weiter, die uns mit den Händen näher an das Bediengeschehen bringen soll. Wir können wieder anfassen, aber es gibt keine haptische Rückmeldung, sondern wir sehen lediglich das Ergebnis unseres Bedieneingriffs – nichts wirklich zum Anfassen, zum Erfühlen oder irgendein Widerstand der Regler, der uns bei einer genauen Dosierung unterstützt. Es gibt bereits Knöpfe zum Aufsetzen auf Displays, um den darunterliegenden Parameter mit einem Drehknopf stellen zu können, aber bei der Packungsdichte, die von den teils ja auch vom Hardware-Analogoriginal fotorealistisch übernommenen Bedienelementen bestimmt wird, lässt eine solch selektive Bedienung nicht zu. Handbewegungen in einem dreidimensional abgetasteten ‚Luft-Bedienfeld‘ entsprechen auch nicht gerade der menschlichen Anatomie, so dass ich keine Perspektive für eine alternative Bedienung, die das Drehen und Schieben echter Knöpfe ersetzen oder gar übertreffen könnte, erkennen kann. Scheinbar bleibt es dann also doch bei der realen Bedienhardware, die wir zukünftig hier und da sicher noch optimieren können. Ist dieses Konzept denn wirklich, um das grässliche Wort zu bemühen, alternativlos? Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob eine Alternative tatsächlich erstrebenswert wäre, denn es gibt zu viele Parameter in der modernen Audiotechnik, zu viele Optionen, zu viele Instanzen, zu viele Spuren, zu viel Flexibilität und zu viele Kanäle. Wenn wir uns auf alte tonmeisterliche Werte besinnen würden, mit minimalem Aufwand ein maximales Ergebnis zu erzielen, wäre unsere Welt einfacher. Das heißt, eigentlich haben wir es selbst in der Hand, drei Meter langen Pro Tools Sessions den Rücken zu kehren, und unsere Arbeitsumgebung zu entrümpeln. Der Musik würde es sicher helfen, wieder die Oberhand zu gewinnen, anstatt sie in Tausenden von Bearbeitungsstufen zu ersticken, was nebenbei gesagt, auch nicht gerade zur Klangqualität beiträgt. Aber auch die Musik hat sich verändert. Sie lebt von diesem ganzen technischen Schickschnack mit haufenweisen Polier- und Manipulationsmittelchen. Der Apothekenschrank in den Studios ist voll davon. Ich glaube, ein Kassensturz würde offenbaren, dass die Studios für angeblich so preiswerte Plug-Ins und andere Software-Werkzeuge mehr Geld ausgeben, als wenn sie in Hardware investiert hätten. Ein Plug-In für 49,90 darf ruhig mal auf der Festplatte beerdigt werden, ohne dass es merklich wehtut. Wenn das 20-mal passiert, und das ist definitiv der Fall, liegen aber bereits schon 998 Euro im Grab. Lassen wir uns also nicht ständig von Black Friday Angeboten locken, und Zeug kaufen, nur weil es so billig ist. Wir bestimmen selbst, wie ergonomisch unser Arbeitsplatz ist. Verzicht und sorgfältige Auswahl sind dabei die besten Berater...

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