Künstliche Dummheit?
Inspiriert durch meinen RX-7-Test in dieser Ausgabe, in dem es unter anderem auch um so genannte künstliche Intelligenz geht, kurz ‚KI‘ oder ‚AI‘ für die Amerikaner unter uns, kam mir der Begriff ‚künstliche Dummheit‘ in den Sinn, denn vieles, was als künstlich intelligent gilt, steckt noch in den Kinderschuhen. Wenn ich der zusammengehackten Sprachmelodie meines Navigationssystems lausche, das sich immerhin ‚Professional‘ nennt, mag ich an den Fortschritt intelligenter Technologie noch nicht so richtig glauben. Ein Navigationssystem, das meinen Heimatort Oberhausen nicht aussprechen kann (es kommt so etwas wie ‚Roberrhauusenn‘ aus dem Lautsprecher), kann ich nicht als künstlich intelligent bezeichnen, denn es lernt nichts dazu und verfügt nur über einen sehr eingeschränkten Wortschatz, den ich in bestimmter Formulierung in das Mikrofon sprechen kann, um nicht ‚Ich-habe-Sie-nicht-verstanden‘ als Antwort zu bekommen. Dennoch, ohne Navigation wäre ich mit einem sehr eingeschränkten Orientierungssinn ziemlich aufgeschmissen. Aber ich wollte eigentlich gar nicht über Navigationssysteme sprechen, sondern über die Art von künstlicher Intelligenz, wie wir sie zum Teil schon in unserer Audiobranche im Alltag erleben und auch nutzen, und darüber, wie sich unsere Arbeit und vielleicht sogar unser Selbstverständnis dadurch verändern wird. Was unser Selbstverständnis betrifft, so sind die meisten von uns wahrscheinlich nicht gewohnt, von einer Dienerschaft umsorgt zu werden, sondern müssen alles selber machen. Solange wir nicht mit unserem Automationssystem in der DAW reden, werden wir auch nicht in die Verlegenheit kommen, mündlich Befehle zu erteilen, so etwas wie ‚mach mal -5 dB auf Spur 78 bis Takt 22‘. Wohl gemerkt, ohne ‚bitte‘ sagen zu müssen, was normalerweise die Höflichkeit gebietet, aber eben nur im zwischenmenschlichen Umgang. Je realistischer eine gesprochene Antwort jedoch zurückkäme, vielleicht sogar noch verbunden mit einem erweiterten Vorschlag: ‚Ich habe den Pegel für Spur 78 wunschgemäß eingestellt, soll ich die korrespondierenden Spuren 4, 18 und 124 auch entsprechend anpassen?‘. Das würde, zumindest bei mir, schon Irritationen auslösen, denn die gute Erziehung, die meine Eltern mir mit auf den Weg gegeben haben, würde wahrscheinlich einen Reflex auslösen ‚Ja, vielen Dank, gute Idee.‘ Der amerikanische Hersteller iZotope macht derzeit intensiv durch KI und Machine Learning von sich reden. Der Repair Assistant in RX 7 oder der Master Assistant in Ozone 8 reden zwar noch nicht mit uns, aber sie machen Vorschläge für eine Reparatur von gestörtem Audiomaterial oder einen kreativen dynamischen oder klanglichen Eingriff und lernen aus einer vorgegebenen Referenz. Da gibt es natürlich Proteste, denn kein erfahrener Ingenieur lässt sich Vorschriften von einer dämlichen… nein, halt! Da kommen wir wieder auf unser Selbstverständnis zurück. Assistenten dienen, man muss ihn nicht einmal rufen, oder seinen Vorschlägen folgen, denn er ‚will‘ ja nur seinem Meister dienlich sein und ihm helfen. Das haben ihm seine Entwickler eingepflanzt und, soweit ich es beurteilen kann, lernt ein solcher Assistent auch nicht von allein dazu und wird am Ende schlauer als sein Meister. Aber genau das kann uns passieren und deshalb müssen wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Wir geben heute schon sehr Vieles aus der Hand und überlassen es verschiedensten Technologien, die überhaupt nicht ‚intelligent‘ sind. Für mich stellt sich also einzig die Frage: Wie nützlich ist eine mir assistierende Technologie und wie weit hilft sie mir bei der Verfolgung meiner Ziele. Wenn sie anfängt, selbst Ziele zu verfolgen, begebe ich mich in eine direkte Konkurrenzsituation. In einem meiner letzten Editorials hatte ich die Frage schon einmal gestellt. Will ich mich selbst verwirklichen, oder will ich mich von Technologie verwirklichen lassen. Je nachdem, wie gut mein Assistent von seinem Entwickler erzogen wurde, ruft er am Ende meine Kunden an und macht sie mir abspenstig…