Schöne, bunte Mastering-Welt

Heute versuchen sich gefühlt eine Million Mastering-Studios in der hohen Kunst der finalen Bearbeitung. In früheren Jahren war diese Aufgabe professionellen Studiobetrieben vorbehalten, aber auch hier sorgt das umfangreiche Software-Angebot für eine bunte Durchmischung des Marktes. Natürlich sind die Cracks geblieben und beklagen sich auch nicht über mangelnde Arbeit, aber es sind eben doch noch zwei wichtige Strömungen hinzugekommen, die es vorher nicht gab. Ruft man heute bei ‚Powersound Mastering‘ (Name von der Redaktion geändert) an, kann es passieren, dass eine weibliche Stimme verkündet: ‚Der Jürgen ist noch in der Schule...‘. Es gibt zahlreiche Plug-In-Pakete, die Mastering für jedermann versprechen, so wie das in allen anderen Sparten unserer Pro-Audio-Zunft inzwischen zum Alltag gehört. Man findet ohne langes Suchen auch sofort eine ‚Paar-Euro-Software‘, die eine beliebige Workstation in die Lage versetzt, PQ-Daten zu generieren, CD-Text zu editieren und DDP-Images oder Pre-Mastering-CDs auszuspucken. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich auch schon einmal das emporgekommene Angebot von eMastering-Portalen thematisiert. Man bezahlt einen kleinen monatlichen Obolus und kann je nach Abonnement beliebig viele Mischungen hochladen, die von ‚intelligenten‘ Software-Algorithmen bearbeitet und im Handumdrehen fertig bearbeitet zum Download bereitgestellt werden, ohne dass ein Mensch mit Ohren überhaupt an diesem Prozess beteiligt gewesen wäre. Das soll dem Vernehmen nach aber bei der Entwicklung der ständig lernenden Algorithmen der Fall gewesen sein. Ich selbst benutze mein Verlagsstudio unter dem Double-D Mastering Label schon seit vielen Jahren als Mastering-Studio, allerdings mit einem deutlichen Schwerpunkt auf hochwertiger und leider auch kostspieliger Analogtechnik, um meine Existenzberechtigung als ‚noch ein‘ Mastering-Ingenieur im Markt rechtfertigen zu können. Angesichts des beträchtlichen Investitionsvolumens kann einem angst und bange werden, wenn man sich plötzlich in Konkurrenz zu einem Laptop-Besitzer wiederfindet, der ‚ein bisschen‘ Plug-In-Software mit EQ, Kompressor und Limiter installiert hat. Nicht alle Mastering-Kunden sind in der Lage, den Unterschied zwischen einem technisch hochwertig ausgestatteten Mastering-Raum, der vor allem viel Geld für ein präzises Abhörsystem und entsprechenden raumakustischen Ausbau verschlungen hat, und einem Rechnerarbeitsplatz auf ‚Amateurniveau‘ auszumachen. Da man heute gerne Files durch die Gegend schickt, sieht man als Kunde auch gar nicht mehr, in welch technischer Umgebung selbige landen. Ein direkter Vergleich zwischen den Ergebnissen eines professionellen Mastering-Studios und eines Laptop-Arbeitsplatzes findet naturgemäß nicht statt, so dass bei der Kundschaft auch gar keine Begehrlichkeiten nach etwas Besserem aufkommen. Wenn alles schön laut ist und es deutlich mehr zischt und rummst als vorher, ist das Ziel doch eigentlich schon erreicht. Ich biete Plug-In-Mastering nur der Vollständigkeit halber an, weil es ja ‚sicher weniger kostet‘, würde aber aus persönlichem Ehrgeiz heraus trotzdem die gesamte analoge Takelage an den Start bringen, weil ich weiß, dass damit deutlich bessere Ergebnisse zu erzielen sind und weil es auch sehr viel mehr Spaß macht, mit all den schönen Farben zu spielen. Dabei muss man ehrlich sein: Es gibt auch für Mastering-Zwecke sehr schöne Plug-Ins, insbesondere gute Limiter und Emulationen von analogen Klassikern, die man nicht alle im Original kaufen kann. Das Problem ist nur, sie an die richtige Stelle in der Mastering-Kette zu bringen, wenn diese ausschließlich analog ausgelegt ist, ohne eine weitere A/D- und D/A-Wandlung in Kauf zu nehmen. So ein schöner Neve-EQ als Emulation kann manchmal bestimmt reizvoll sein, aber der Aufwand, ihn dort zu platzieren, wo man ihn braucht, ist einfach viel zu groß. Trotzdem: Wenn es heute schon so viele wirklich gute In-The-Box‘-Mixer gibt, warum sollte das dann nicht zukünftig auch für das Mastering gelten können? Und die schöne Analogtechnik, die man sich vom Munde abgespart hat? Die wird dann vermutlich zum persönlichen Luxus...

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