Hören oder messen?

Mein geschätzter Kollege Friedemann Kootz gab auf unserer Facebook-Seite vor nicht allzu langer Zeit ein umfangreiches Statement dazu ab, warum wir im Rahmen unserer Lautsprechertests keine akustischen Messungen anbieten, obwohl wir mit unserem Audio Precision Messsystem jedem Testgerät mit zahlreichen Messungen und redaktionell normierten Messverfahren auf den Leib rücken, um objektive Bewertungskriterien für die getestete Studiotechnik geben zu können, und dafür zu sorgen, dass diese für den Leser über Jahrzehnte vergleichbar bleiben. In meiner Rolle als Studioplaner gehöre ich zu den Vertretern, die sehr gerne und sehr viel in Tonregien messen, um den Studiobauherren ein möglichst optimales Ergebnis zu liefern, das nicht nur von einem bloßen Höreindruck bestimmt ist, selbst, wenn er auf Anhieb positiv sein sollte. In diesen Fällen spielen der Raum, in dem die Lautsprecher stehen, und das sie direkt umgebende Umfeld, eine wesentliche Rolle als Beeinflussungsfaktor. Viel mehr noch, der Raum muss sogar ‚mitgemessen‘ werden, um die Qualität der Übertragungsfunktion eines Studioabhörsystems, vornehmlich im Bereich der Abhörposition, exakt ermitteln zu können. Hier gilt die Devise, dass ein Lautsprecher immer nur so gut ist, wie der Raum, in dem er spielt. Objektive Kriterien für eine qualitative Bewertung des Lautsprechers selbst kann es in diesem Szenario nicht geben. Es wäre also müßig, die von mir getesteten Lautsprecher in meiner Regie an der Abhörposition zu messen, denn die Aussagekraft solcher Messergebnisse wäre weit von einer validen und testübergreifend vergleichbaren Bewertung entfernt. Man braucht, um belastbare akustische Messungen an Lautsprechern vorzunehmen, nicht nur die entsprechende Messtechnik, die uns ja sogar zur Verfügung stünde, sondern vor allem einen zertifizierten Messraum, der sich, vereinfacht gesprochen, möglichst komplett aus den Messergebnissen heraushält. Die Lautsprechermessverfahren, die renommierte Hersteller zur Dokumentation ihrer Entwicklungsleistung anwenden, finden ausschließlich in solchen, oft sogar eigenen Messräumen statt. Damit solche Messergebnisse aussagekräftig werden, müssen viele Eigenschaften eines Lautsprechers berücksichtigt und in einem normierten Verfahren ermittelt werden: Übertragungsfrequenzgang auf und außerhalb der Hörachse, Bündelungsmaß, harmonische und Intermodulationsverzerrungen, Abkling- oder Zeitverhalten, um einige wesentliche zu nennen. Nur dann könnte theoretisch ein gewonnener Höreindruck mit Messdaten erklärt werden. Also, warum machen wir das nicht einfach? Klare Antwort: Es ist viel zu kostspielig, denn selbst die Anmietung eines solchen Raums, den man in komfortabler räumlicher Nähe auch erst einmal finden müsste, wäre abgesehen von zahlreichen Nebenkosten für unseren kleinen Verlag wirtschaftlich nicht darstellbar. Ehe wir Ihnen also irgendwelchen Messkäse präsentieren, der wichtig aussieht, aber keinerlei Aussagekraft hat, bleibe ich lieber bei meinen sprachlich blumigen Formulierungen und Kraftausdrücken. Wie sagte es Friedemann in seinen Ausführungen so treffend: ‚Leider sieht man einem Frequenzgang-Plot seine Herkunft nicht an.‘ Immerhin kann ich mich in meiner selbstgeplanten Regie, die ich besser als mich selbst kenne, auf 43 Jahre Hör- und Testerfahrung stützen. Ich versuche, so gut es angesichts vieler subjektiver Einflüsse, von denen sich keiner freimachen kann, möglich ist, die Eigenschaften eines Lautsprechers zu extrahieren und nach Kräften treffend zu beschreiben. Dafür gibt es viele Kriterien und Verfahrenstechniken, zum Beispiel auch die, immer die gleichen Musiktitel zu verwenden, die sich in meine Erinnerung eingebrannt haben, seien es im Detail gute oder schlechte. Denn schließlich ist auch die Feststellung, wie überzeugend ein Lautsprecher tontechnisches Elend abbilden kann, eine sehr hilfreiche Qualitätsaussage.

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