Test: Sonarworks Reference 4

Es wäre ja wirklich eine großartige Sache, wenn alle Lautsprecher und alle Kopfhörer gleich klingen würden, denn dann ging es beim Produzieren von Ton nur noch um Musikalität, Sound Design, klangästhetische Kreativität, Talent und persönlichen Geschmack. Aber leider ist die Welt nicht so einfach, auch wenn uns der in Riga ansässige Hersteller Sonarworks aus Lettland ein bisschen mit diesem Gedanken ins Träumen bringen will. Das Unternehmen wurde im Jahre 2012 mit staatlichen Fördergeldern gegründet und setzte sich zum Ziel, ein digitales Korrektursystem auf Softwarebasis zu entwickeln, mit dem gleichermaßen Kopfhörern und Monitorlautsprechern zu einer linearen Übertragungsfunktion verholfen werden sollte. Mit Sonarworks True-Fi möchte das engagierte Team aber auch noch einen großen Schritt weitergehen und den Musikkonsumenten erreichen, weshalb es eine App für Desktops, Laptops, Tablets und Smartphones gibt (79 Euro), mit der jeder Musikhörer seinen Kopfhörer für den Musikgenuss durch Laden eines entsprechenden Modellprofils linearisieren kann. Inzwischen peilt Sonarworks mit der Zahl der verfügbaren Profile zahlreicher Kopfhörer-Hersteller die 300er-Marke an, jedoch sollen es schnell noch mehr werden. Mit den gleichen Profilen wird auch in den Studios gearbeitet, wodurch sich hier tatsächlich eine international kompatible Hörsituation für Produzenten und Konsumenten entwickeln könnte – für die Kopfhörerwiedergabe. Man muss nicht viel Fantasie besitzen, um zu erahnen, dass dieser Gedanke Sonarworks nicht ganz unsympathisch wäre.

Ich frage mich schon länger, warum es nur so wenige Kopfhörer gibt, bei deren Entwicklung der Anspruch an eine lineare Wiedergabe schon im Vorfeld formuliert wurde. So schwierig kann es doch nicht sein, auf diese Idee zu kommen. Oder gibt es tatsächlich so viele verschiedene Vorstellungen von ‚linear‘? Sonarworks hat viel Zeit, Geld und Energie aufgewandt, um Hard- und Software für ein Messverfahren zu entwickeln, mit dem Grundlagen für eine ‚generische Linearität‘ trotz Serienstreuung mit guter Genauigkeit geschaffen und in Gestalt eines Korrekturfilter-Profils umgesetzt werden konnte. Das Gute an diesem Gedanken ist, dass, anders als bei der Lautsprecherwiedergabe, Kopfhörer keinerlei Raumeinfluss unterworfen sind, sondern durch den Ausschluss unvermeidbarer physikalischer Rahmenbedingungen ein direkter Lösungsweg beschritten werden kann. Man ermittelt die Übertragungsfunktion eines Kopfhörermodells, baut das passende Korrekturfilter und erhält im Gegenzug lauter linear spielende Kopfhörer, die sich einzig noch durch die Qualität des Schallwandlers und dessen Zeitverhalten unterscheiden, nicht aber mehr durch die Energieverteilung im Spektrum. Dass ich hier mit einer so stark vereinfachten Theorie antrete, hat auch mit fehlenden Informationen darüber zu tun, wie denn nun dieses Messverfahren genau aussieht, und zu diesem Thema, fürchte ich, wird uns Sonarworks auch nicht mehr als ein paar marketingträchtige Sätze formulieren, die uns nicht schlauer machen – verständlicherweise. Die Idee, Korrekturfilter für Kopfhörer und Lautsprecher, vor allem für Lautsprecher, zu entwickeln, ist ja nicht neu, denn diverse Hard- und Softwareanbieter haben bereits entsprechende Lösungen vorgestellt, auf IIR-, FIR- und Mixed-Phase-Filterbasis. Auch Sonarworks bedient sich für sein Produkt der FIR-Filtertechnologie. Nun spielt ja jeder Lautsprecher in unterschiedlichen Räumen, und selbst an verschiedenen Positionen im gleichen Raum, völlig anders. Selbst ein Handvoll Zentimeter kann schon nennenswerten Einfluss auf die Übertragungsfunktion an der Abhörposition haben. Also ist es auch dementsprechend Essig mit einem generischen Modell für die Korrektur von Lautsprechern. Der Anwender muss also als ‚Erfüllungsgehilfe‘ mit ins Boot geholt werden. Damit möglichst jeder als Anwender und damit zahlender Kunde in Frage kommt, muss die Bedienung des Systems so zwingend und einfach sein, dass die Kalibrierung eines Anhörsystems, auch völlig ohne Kenntnis der Sachlage, durchführbar wird. Die Software nimmt also den Anwender ans Händchen, damit er sein persönliches Korrekturprofil, oder auch mehrere davon, erstellen kann. Unglücklicherweise ist die Physik etwas eigensinnig und vor allem unbelehrbar, denn die Abmessungen geben vor, ob ein Raum eine günstige oder eine ungünstige Modenverteilung im Bereich tiefer Frequenzen zeigt. Hier treten erfahrungsgemäß die größten Probleme auf. Dementsprechend sind im ungünstigen Fall daraus resultierende starke Einbrüche in der Übertragungsfunktion auch nicht mit einem EQ korrigierbar und hier gerät jedes Korrektursystem an seine Grenzen. Wenn man mit Reference 4 also schnell und zielführend arbeiten möchte und thematisch nicht ganz so ganz unbeleckt ist, sollte man vor dem eigentlichen Kalibrierungsvorgang mit einer geeigneten Mess-Software (zum Beispiel der Freeware REW5) prüfen, ob die gewählte Lautsprecherposition erfolgversprechend aussieht. Dies ist aber eigentlich nicht im Sinne des Erfinders, denn Sonarworks möchte seinen Kunden und Anwendern ja gerne alle diesbezüglichen Sorgen abnehmen, aber so einfach ist das eben nicht. Daher wäre es eine gute Idee, wenn Reference 4 eine solche Single-Point-Mess-Möglichkeit für eine erste Einschätzung der Lage anbieten würde. Die Technologie dafür ist ja praktisch vorhanden.