Test: Rupert Neve Designs Shelford Channel

Um das Thema ‚Channel Strips‘ ist es in letzter Zeit deutlich ruhiger geworden. Viele Anwender nutzen (oft aus Gründen der Bequem- oder Wirtschaftlichkeit) die qualitativ meist ‚einwandfreien‘ und neutralen PreAmps ihrer Audio-Interfaces oder bedienen sich aus dem mittlerweile schier unerschöpflichen API500-Angebot, um Klangmalerei zu betreiben. Der von RND aktuell vorgestellte Shelford Channel kann als Evolution der legendären Neve-Entwicklungen 1073, 1064, 1081 oder 2254 betrachtet werden, sorgfältig von seinem Urheber Rupert Neve daselbst aufgearbeitet und für unsere Epoche neu definiert. Rupert Neve ist mit seinen inzwischen 90 Jahren einer der berühmtesten Entwickler der professionellen Audiotechnik, dessen 1073-PreAmp- und EQ-Modul zu den auch heute noch begehrtesten und in Hardware- sowie Softwaregestalt immer wieder nachgeahmten Schaltungsdesigns gehört. Ich habe nie einen anderen PreAmp erlebt, der so weich, elegant und gleichzeitig ‚direkt ins Gesicht‘ auftreten kann. Die Namensgebung für den Shelford Channel und auch das Shelford Modulprogramm (siehe Test in der April-Ausgabe 2014) ist eine Hommage an den früheren Neve-Firmensitz in Little Shelford in Cambridgeshire. Der Shelford Channel basiert auf einem von Rupert Neve neu entwickeltem Class-A PreAmp in der Tradition des 1073, dessen Verstärkung zum Teil durch den Übertrager erfolgt (Transformer-Gain) und damit auch für einen charakteristischen Klang sorgt. Dazu gesellen sich die Inductor-(Spulen)EQ-Sektion aus den Shelford 5051 und 5052 Modulen, ein modernisierter Diodenbrücken-Kompressor nach dem Vorbild des 2254 ohne dessen messtechnische Schwächen und eine regelbare Silk-Sättigungsschaltung, die ihre Klirrprodukte wahlweise aus dem Bereich tiefer oder höherer Frequenzen ableitet.

Das neu von Rupert Neve geschnürte Channelpaket überträgt die herausragenden Klangeigenschaften historischer Schaltungen aus eigener Feder in ein aktuelles Design mit zeitgemäßen technischen Daten und hat das Zeug dazu, eine Schlüsselrolle in einer modernen Hybrid-Studioumgebung zu übernehmen. Dennoch erscheint es mir fast obskur, dass es nur wenige begehrte ‚Klangströmungen‘ in der Musikproduktion gibt, die dann erschreckenderweise alle aus der Kreidezeit der Tontechnik stammen. Neve, API, SSL, Trident, Siemens, Neumann, MCI, Harrison, Helios, Pultec, um einige bedeutende Pioniere beispielhaft zu nennen –  sie alle dienen als Vorbild für neuzeitliche Entwicklungen und werden mit Stolz und direktem Bezug auf die Originale präsentiert – Qualitätssiegel ‚früher‘. Unsere Zeit scheint nicht gerade von neuen Ideen in Sachen Klangästhetik geprägt zu sein. Aber wir haben ja noch Rupert Neve, der uns zeigt, wie ein aktueller Channelstrip heute klingen kann, in dem er sich selbst auf moderne Art und Weise zitiert.