Test: RND 5254 Dual Diode Bridge Compressor

Irgendwie ist es doch ein seltsames Gefühl, einen Test über ein Neve-Produkt zu schreiben, wenn der Altmeister nicht mehr unter uns weilt. Aber es ist auch schön zu sehen, dass sein kreativer Entwicklergeist im übertragenen Sinne fortexistieren wird, denn Rupert Neve gab sein Know-how vorausschauend an sein Team weiter, so dass wir uns auch in Zukunft auf neue Produkte freuen dürfen, die seine legendenhafte Signatur tragen werden. Darüber hinaus gibt es kaum eine Marke, die praktisch die gesamte Pro-Audio-Historie bis in die Neuzeit begleitete und auch nachhaltig mitgestaltete. Magische Zahlenkombinationen, die jeder Audioverrückte kennt, lösen sofort die Vorstellung von einem charakteristischen Klang aus. Eine davon ist 2254. Die Ähnlichkeit zum hier getesteten Kompressor mit der Modellnummer 5254 ist natürlich kein Zufall. Ende der 60er Jahre wurde Rupert Neve gefragt, ob er einen zuverlässigen Bus-Kompressor für die von ihm gelieferte Konsole entwickeln könne, um eine Pye/Philips-Mischpult-Cassette zu ersetzen, die aufgrund einer enormen Hitzeentwicklung des Öfteren den Geist aufgab. Es wäre auch nicht sonderlich eilig, aber in vier Wochen fertig wäre schon schön. Eine nicht unerhebliche Abnahmemenge wurde in Aussicht gestellt, so dass es unmittelbar in Rupert Neves Kopf zu rattern begann. So entstehen die Zeit überdauernde Klassiker. Natürlich kann man sich fragen, wie man auf die Idee kommt, eine Diode als Regelelement ins Auge zu fassen, aber in dieser Zeit musste man sehr kreativ sein, denn VCAs und Chiplösungen aus dem Elektronik-Standardkatalog waren noch nicht existent.

Der 2254 Mono Diodenbrückenkompressor ist im Prinzip die historische Vorlage für den 5254, allerdings umgesetzt mit zeitgemäßen Mitteln, wesentlich verbesserten technischen Daten und einer deutlich flexibleren Bedienstruktur, die trotzdem einfach wirkt. Wenn eine Schaltung ihren Entwickler vor besonders herausfordernde Aufgaben stellt, steht am Ende oft ein typischer Klang, der durch die Eigenarten der verwendeten Bauteile bestimmt wird. In diesem Fall war es die Diode als nicht-lineare, jede Menge Klirr produzierende Komponente, die Rupert Neve als Regelelement für den 2254 unter dem beschriebenen enormen Zeitdruck wählte. Eine Diode hat nicht nur zwei statische Zustände, sondern auch einen kleinen Bereich, der ein logarithmisches Verhalten an den Tag legt. Durch eine Steuerspannung kann der Innenwiderstand der Diode in diesem Bereich geändert werden. Vier sorgfältig hinsichtlich ihrer Eigenschaften selektierte Dioden in einer Brückenschaltung, um Verzerrungen und ein Übersprechen des Steuersignals in den Audioweg zu minimieren, nutzen dieses Verhalten, um daraus ein Sidechain-Signal für einen Kompressor abzuleiten. Der Nachteil dieser Schaltungsidee ist, dass der effektiv nutzbare Bereich der Diodenkennlinie nur sehr kleine Pegel verträgt, weshalb das Audiosignal nach der Diodenbrücke stark hochverstärkt werden muss, was, in der Pionierzeit der Audioelektronik umso mehr, das Rauschen mitverstärkte. Insofern war es besonders im Jahre 1969 eine bemerkenswerte Leistung, eine solche Schaltung mit vertretbaren Audiodaten zum Laufen zu bringen. Die erste eigene Reinkarnation des Diodenbrückenkompressors der Neuzeit war der RND Portico 535, der dem 5254 als unmittelbarere Vorlage diente, denn die Modernisierung der Schaltung für zeitgemäße technische Daten hatte bereits in dieser 500er-Modulkassette mit einem sehr ähnlichen Bedienkonzept stattgefunden. Im 5254 wurde dieses Konzept mit zusätzlichen Eingriffsmöglichkeiten aber noch einmal erweitert.