Test: Plugin-Alliance Shadow Hills MC Class A

Mit heutigen Programmierwerkzeugen wäre es sicher wesentlich einfacher gewesen, dem Code der Enigma auf die Schliche zu kommen. Die Enigma, griechisch für ‚Rätsel‘, war eine Rotor-Schlüsselmaschine, die im zweiten Weltkrieg zur geheimen Kommunikation vom deutschen Militär verwendet wurde. Während des Krieges gelang es den Alliierten mit beträchtlichem Aufwand, den deutschen Enigma-M-Funkverkehr fast lückenlos zu entschlüsseln. Man darf sich mit Recht fragen, was diese Hintergrundgeschichte mit einem Studiogerät zu tun haben könnte, aber daran lehnen sich Marketing und Bedienkonzept der Website des amerikanischen Herstellers Shadow Hills Industries an, der wohl irgendwie in der Zeit des Zweiten Weltkriegs hängengeblieben sein muss, offensichtlich, um den Bezug zum optischen Erscheinungsbild seiner Geräte herzustellen, die aussehen, als wären sie gerade aus der Funkstation eines U-Bootes ausgebaut worden. Den Begriff ‚Entschlüsselung‘ möchte ich hier aber in einem anderen Zusammenhang verstanden wissen. Die Analogtechnik ist mit all ihrer dynamischen Unberechenbarkeit und durchaus auch Unvollkommenheit nicht so leicht in ein Muster zu pressen, weshalb auch ein extrem hoher Aufwand betrieben werden muss, will man von einem solch ‚organisch‘ reagierenden Gerät ein digitales Modell erstellen, dass sich genauso verhält. Schauen wir also, wie sich die Brainworx-Entwickler beim Entschlüsseln des Shadow Hills Mastering Compressors in der auf 50 Exemplare limitierten Class A Version geschlagen haben.

Die Class A Variante des Shadow Hills Mastering Compressors ist im Original mit Lundahl-Übertragern bestückt, intern mit Mogami-Kabel handverdrahtet und hat eine in Class A Technik aufgebaute VCA-Kompressor-Sektion. Es klingt sehr anspruchsvoll und selbstbewusst, die eher subtilen Unterschiede einer solchen Schaltungsmodifikation im Vergleich zum Standardmodell des Gerätes in einer digitalen Emulation herauszuarbeiten. Die schon etwas betagte Emulation der Standard-Version des Shadow Hills Mastering Compressors, an den grünen Betriebslämpchen erkennbar, hatte, ganz ehrlich, für meinen Geschmack nicht sehr viel analogen Sexappeal. Schauen wir also, wie es um das neue digitale Modell der Class A Version mit den roten Betriebslämpchen bestellt ist. Mir geht es nicht darum zu bewerten, wie nahe sich diese neue Emulation am Original bewegt, denn ein solches Original ist per Definition durch die streng begrenzte Auflage kaum für einen Test beschaffbar. Ich kann aber zumindest ein Statement darüber abgeben, wie sehr meine Hörerwartung an ein solches Plug-In erfüllt wird, denn analoge Originale der Standard-Version habe ich relativ häufig hören können. Das analoge Gerät (ohne Class A) hat die Eigenschaft, das Signal bereits zu ‚verschönern‘, ohne dass die Kompressoren etwas tun, was, so vermute ich, auch an der integrierten Übertragermatrix liegen dürfte. Es gehört zum Gesamtkonzept des amerikanischen Herstellers, dass alle seine Geräte mit großen Bakelit-Knöpfen, Kipp- und Drehschaltern, Lämpchen und VU-Metern ausgestattet sind und so einem historisch anmutenden Designansatz folgen. Einerseits macht sie das unverwechselbar, andererseits trifft der Hersteller damit ganz offensichtlich den Geschmack der breiten Anwenderschaft, denn die Bedienung der analogen Originale wird dadurch zu einem besonderen haptischen Erlebnis. Da ist, um es einmal ganz realistisch zu formulieren, natürlich auch sehr viel Blendwerk im Spiel. Es besteht zumindest die Gefahr, dass die besondere Haptik und das exotische Äußere das Hörergebnis positiv beeinflussen. Schöne Regler müssen einfach besser klingen. Diese spezielle Gefahr ist bei einem Plug-In weitaus weniger zu befürchten, denn das Bewegen der auf dem Bildschirm optisch identisch aussehenden Bakelit-Knöpfe mit der Maus vermittelt eher eine andere Illusion: Etwas, das auf dem Bildschirm genauso wie das analoge Original aussieht, muss doch auch genauso klingen, oder? Aber von diesem Gedankengang profitieren schließlich alle Plug-In-Anbieter, die analoge Technik in die Welt des Computers übertragen. Davon abgesehen hat es auf dem Gebiet des digitalen Modellierens analoger Technik über die Jahre auch bemerkenswerte Fortschritte gegeben, die an vielen Stellen des Produktionsprozesses zu einem globalen Umdenken geführt haben.