Test: iZotope Ozone 9

Die Musikproduktion ist im vergangenen Jahrzehnt zunehmend integrativer  geworden – das klingt wie ein Fortschritt, bedeutet aber eigentlich, dass heute jeder Musik produzieren kann und die Teilbereiche Aufnahme, Mischung und Mastering immer öfter zu einem Gesamtprozess verschmelzen, der im Extremfall in den Händen eines einzelnen Musikers liegt. Aber auch dann, wenn mehrere Personen an der Produktion beteiligt sind und spezielle Aufgaben übernehmen, muss eigentlich kein Arbeitsschritt mehr endgültig oder losgelöst von den anderen betrachtet werden. Ob ich nun – wohlgemerkt nachträglich – die Charakteristik eines Mikrofons oder die Mikrofonauswahl selbst in der Hand habe, während des Mischvorgangs Instrumente austauschen oder im Mastering beliebig angepasste Wunschversionen einer Mischung erstellen kann – alles ist veränderbar, zu jeder Zeit und in jedem Abschnitt des Produktionsprozesses. Wer jedoch auf professioneller Ebene produziert und die Arbeit eines Mastering-Studios und die Rolle des Mastering-Ingenieurs als unverzichtbaren Bestandteil einer Produktion versteht, wird eine fertige Mischung als finales künstlerisches und musikalisches Statement abgeben, denn ein Mastering-Studio ist per Definition keine Reparaturwerkstatt sondern ein Schönheitssalon und letzte technische Kontrollinstanz.

Unsere bisherige Vorstellung der Grenzen kreativer Gestaltung bedarf vielleicht einer gedanklichen Erneuerung, wenn man die Möglichkeiten heutiger Audio-Software näher beleuchtet. Der amerikanische Software-Spezialist iZotope gehört zu den Vorreitern in Sachen Machine Learning und AI/KI, und beschert damit dem unerfahrenen Anwender mehr Hilfestellung und schnelle brauchbare Ergebnisse bei der Arbeit, erschließt aber auch dem Profi Eingriffsmöglichkeiten, von denen man noch vor ein paar Jahren nur träumen konnte. Vor diesem Hintergrund muss man das neue Master Rebalance Plug-In der Ozone-Version 9 als typisches Beispiel für diese Entwicklung betrachten, als völlig neuartige Möglichkeit, beim Mastering künstlerisch tiefer als jemals zuvor in eine fertige Mischung eingreifen zu können. Master Rebalance versetzt mich in die Lage, die Balance hinsichtlich Gesangs-, Bass- oder Schlagzeug-Dosierung in einem verblüffend großen Stellbereich in Echtzeit und sogar automatisiert zu beeinflussen – in einer fertigen Stereomischung. Die Perspektive der Entwicklungsarbeit bei iZotope wird somit sehr deutlich, mehr und mehr technische Intelligenz in Bearbeitungsprozesse einziehen zu lassen, den künstlerischen Spielraum beim Mastering zu erweitern oder auch schlichtweg zu vereinfachen.