Test: Heritage Audio HA-609A Limiter/Compressor

Es schmerzt manchmal, besonders angesichts der aktuellen Situation, aus eigener Erfahrung von einer Zeit sprechen zu können, in der die Musikindustrie noch sehr reich war, dank eines Produktes namens Tonträger, das heute weitestgehend zu einer Art Liebhaberstück verkümmert ist, und nur noch von sehr treuen Anhängern gekauft wird, die einen verehrten Künstler unterstützen, den Besitzgedanken ganz unzeitgemäß auf Musik projizieren oder ein haptisches Ritual in Verbindung mit einem so genannten Plattenspieler zelebrieren möchten. Aus der üppigen Zeit der Vorväter kommt auch ein Klang zu uns, der heute geradezu fanatisch geliebt und in zahlreichen analogen und digitalen Reinkarnationen nachgeahmt wird. Die geheime Zahlenkombination lautet 1, 0, 7, 3. Zu den analogen Vertretern dieser Fangemeinde gehört die im spanischen Madrid ansässige Firma Heritage Audio, geführt von Peter Rodriguez, der mit seiner Liebe zur Studiotechnik der 60er und 70er Jahre nicht hinter dem Berg hält und dem es vor allem die frühen Werke des Altmeisters Rupert Neve angetan haben. Technischer Aufwand war in der ‚goldenen Epoche der Studiotechnik‘ kein diskussionswürdiger Kostenfaktor, sondern eine Notwendigkeit, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Ich glaube, dass die Ingenieure dieser Zeit nicht auf der Suche nach einem ikonischen Klang waren, und nicht ansatzweise ahnten, dass dieser die Jahrzehnte überdauern könnte. Sie suchten genau wie die Entwickler von heute nach kreativen Ideen der Signalmanipulation, mit im aktuellen Vergleich tatsächlich eher mäßigem Erfolg aufgrund beschränkter Mittel. Es ist wirklich erstaunlich, dass etwas aus heutiger Sicht so Unvollkommenes so vollkommen klingen kann. 

Wenn sich Klanggourmets austauschen, geht es immer um eine bestmögliche Inszenierung von Musik, Klang und Raum, nie um Rettung oder die Reparatur von Mängeln, auch wenn das heute mehr als alles andere zum Produktionsalltag gehört.  Die Zusammenarbeit mit begabten Künstlern macht den Job des Toningenieurs im Gegensatz dazu meist sehr einfach und seine Aufgabe ‚beschränkt‘ sich darauf, eine Bühne herzurichten, die mit homöopathischen Dosen von Gewürzen gestaltet wird. Das klingt alles ein wenig snobistisch, ist aber eine elementare Spielart des Produzierens von Musik, allerdings ganz bestimmt nicht die einzige. Die Herausforderung liegt immer in der kreativen Auswahl von Gestaltungsmitteln, die am Ende Farben, Energie und räumliche Dimensionen bestimmen. In dieses Bild fügt sich ein Gerät wie unser Testkandidat, der HA-609A von Heritage Audio, nahtlos ein, denn er ist praktisch die Verkörperung dieser ‚goldenen Epoche‘ und eine von einem berühmten Original inspirierte Nachbildung mit unvollkommen vollkommener Klangsignatur. Hierzu ganz kurz ein wenig Historie: Das Original, der Neve 33609 (‚Metal Knob‘, wegen der eigentlich Neve-untypischen Metallregler mit den blauen Kappen) ist praktisch eine 19-Zoll Adaption der Class A/B Kompressor/Limiter-Mischpultkassetten 2264, 32264 und 33314 in der Rundfunkversion, die eine spätere Reinkarnation des Class A 2254 Mono Kompressor/Limiters darstellten. Allen gemein ist eine Diodenbrücke als Regelelement. Die diskret aufgebaute Originalversion des 33609 wurde später durch die C-Variante ersetzt, die über eine stabilere Stromversorgung, andere Übertrager und verbesserte Verstärker mit mehr Übersteuerungsreserve verfügte. Die darauf folgende Version trug den Buchstaben J in der Typenbezeichnung (tatsächlich für Japan), da dort eine große Nachfrage für das Gerät existierte, die später in J/D umbenannt wurde (Japan Discrete), in dessen Zuge man wieder zu den ursprünglichen Verstärkerkarten des ersten Modells zurückkehrte. Die neueste Version, die auch aktuell von AMS Neve verkauft wird,  heißt 33609 N und beinhaltet modernere Fertigungsmethoden, vergleichbar mit dem 1073 N. Die Übertrager stammen nun von Marinair, die dort von AMS Neve nach Originalspezifikationen in Auftrag gegeben werden. Das aktuelle Modell hat einen Fast/Slow-Schalter für die Ansprechzeit des Kompressors, den keines der vorherigen Modelle hatte, ist komplett diskret aufgebaut und lehnt sich wieder stark an das Original an.