Test: Exponential Audio

Wenn man sich überlegt, wie beschränkt Rechenleistung und Speicherkapazität proprietärer Nachhall-Hardware in den Pionierjahren waren, dann müssen wir heute noch den Hut vor den Entwicklern ziehen, die damals aus fast nichts wunderbar klingende Nachhallsimulationen haben entstehen lassen. Tatsächlich war es auch diese Technologie, die von den Plug-In-Entwicklern als erste erfolgreich ‚geknackt‘ werden konnte, auf Rechnerhosts, deren Prozessor ein Vielfaches dessen leisten konnte, was für eine gelungene, künstliche Nachhallerzeugung notwendig gewesen wäre. Michael Carnes ist einer der Entwickler und Programmierer, die noch an echter Nachhall-Hardware gearbeitet haben, 25 Jahre lang beim einstigen amerikanischen Nachhallkönig Lexicon, dessen Stern mit der aggressiv voranschreitenden Computer-Technologie zwangsläufig – zusammen mit anderen großen Namen oder Marken – untergehen musste, zumindest, was das Thema ‚Hardware-Nachhall‘ betrifft.

2012 entschloss sich Michael Carnes mit Exponential Audio ein eigenes Unternehmen zu gründen, sozusagen einen Ein-Mann-Mikrokosmos, in dem er Geschäftsführer, Produktentwickler, Programmierer, Grafik- und Webdesigner, Kundensupport-Leiter, Marketingchef, Vertriebsleiter und seine eigene Sekretärin war – alles Chefsache. Seine Laufbahn begann wie aus dem Pro-Audio-Bilderbuch als Rock- und Jazz-Musiker, später wechselte er in die Klassik als Musiker und Komponist und arbeitete auch als Toningenieur, eine Tätigkeit, die ihm nach wie vor Spaß macht. Er nimmt auch heute noch gerne kleinere Ensembles auf. Früh entdeckte er sein Interesse an Raumakustik. Zum Programmierer wurde er, als er nach abgeschlossenem Musikstudium feststellen musste, dass er als Klassik-Komponist in seinem Leben wahrscheinlich nicht viel Geld verdienen würde. Er lebte zu dieser Zeit im US-Bundesstaat Massachusetts und die noch in den Kinderschuhen steckende Computerindustrie befand sich in einem steilen Aufschwung. So begann er als Programmierer für eine Firma DSP-Anwendungen zu erarbeiten, in verschiedenen Bereichen. Später wurde er für ein Unternehmen tätig, das sich mit Spracherkennung beschäftigte und in der Folge ergab sich 1987 schließlich die Chance, für Lexicon zu arbeiten, sozusagen auf Umwegen zurück zur Musik. Seine ersten Projekte waren das PCM 80 und PCM 81. Später arbeitete an der Entwicklung des Opus Digital-Recorders und -Mischers und des PCM 90, und übernahm dann maßgeblich die Programmierung der 960L-Algorithmen. Später schrieb er auch die Algorithmen der PCM 92 und PCM 96 Hardware, sowie die der Lexicon Native Plug-Ins. Er ist eng befreundet mit Barry Blesser (EMT 250) und natürlich auch mit David Griesinger, der den Ur-Lexicon-Reverb erfunden hatte. Auch zu den Herren von Bricasti Design, Brian Zolner und Casey Dowdell, die zuvor seine Arbeitskollegen bei Lexicon gewesen waren, unterhält er ein freundschaftliches Verhältnis. Als er 2012 Lexicon verließ, nutzte er die Gelegenheit, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Phoenix Verb und R2 waren die ersten beiden Plug-Ins in Stereo, die Michael Carnes 2013 veröffentliche.