Interview: Tonstudio Tessmar

Morgens mache ich mich auf den Weg in Richtung Hannover, um mich mit Karl Tessmar zu treffen, dem Inhaber des nach ihm benannten Tonstudios, ohne zu wissen, dass ich dort auch einem alten Weggefährten, nämlich Gregor Zielinsky, begegnen würde, der als Diplom-Tonmeister inzwischen die Fachbereiche Klassik und Jazz im Tonstudio Tessmar übernommen hat. Natürlich hatte ich vorher Bilder des Tonstudios im Internet gesehen, aber wirklich dort zu sein und das beeindruckende Gebäude real zu erleben, ist eben doch eine ganz andere Geschichte. Der 190 Quadratmeter große Aufnahme- und Konzertsaal mit seinen acht Metern Deckenhöhe lässt mich tatsächlich ehrfürchtig werden. Das sind Dimensionen, wie man sie nur noch selten in einem Tonstudio zu sehen bekommt. Mein Gastgeber Karl Tessmar kommt aus der Welt der Mess-, Steuer- und Regeltechnik und des Schaltanlagenbaus. Zum Ausgleich betrieb er in seinem Privathaus ein kleines, aber feines Homerecording-Studio, sozusagen die Keimzelle für den Industrie-Prachtbau, durch den ich gerade geführt werde. Karl Tessmar bezeichnet sich selbst als Rentner, ist aber wohl eher ‚Unruheständler‘. Das Gebäude, durch das wir gerade gehen, ist so etwas wie eine sehr große elektrische Eisenbahn, mit der ein Traum in Erfüllung geht. Man könnte fast sagen, das Tonstudio Tessmar ist das größte Homerecording-Studio der Welt, aber das war ja nicht von Anfang an der Plan, wie wir im Verlauf des Gesprächs erfahren werden.

 Das Studio beinhaltet neben dem gigantischen Aufnahmesaal zwei weitere Aufnahmeräume und zwei sehr großzügige Tonregien – eine Stereo, eine 3D und Mastering. Herzstücke in beiden Regien sind zwei Yamaha Nuage-Controller mit 32, beziehungsweise 16 Fadern, in Kombination mit Nuendo, Cubase, Wavelab, Sequoia und Pro Tools. Die technische Infrastruktur basiert auf Dante-AoIP-Technologie und bietet eine kaum zu übertreffende Flexibilität für jedwede tontechnische Aufgabe. Neumann-Monitore in beiden Regien, insgesamt sechs (!) DAD AX32 Dante PreAmp/Wandler-Einheiten als Basis für eine hervorragende Klangqualität, man könnte die Liste sicher noch erweitern, jedoch ist das ja längst nicht alles. Das Haus ist eine Kulturstätte, in der nicht nur auf höchstem Niveau produziert werden kann, sondern seine Betreiber möchten auch Event-Aktivitäten aller Art initiieren, weshalb es Künstlergarderoben, Produzentenbüros, eine 100 Quadratmeter Lounge, ein großzügiges Foyer, ein Lager für Bühnentechnik und Bestuhlung und noch vieles andere gibt, das die Umsetzung vielschichtiger kreativer Ideen ermöglichen kann. Für unser Gespräch ziehen wir uns in die Büroetage zurück, denn parallel zu meinem Besuch laufen gerade die Vorbereitungen für ein Abendkonzert mit großem Orchester und deutlich über 100 geladenen Gästen. Im Besprechungsraum bekommen wir nichts davon mit, dass in unmittelbarer Nachbarschaft ein großes Orchester probt – ein erster Beweis dafür, dass Kristoffer Wasserberg (AMT Ingenieurgesellschaft mbH), der für die bau- und raumakustische Planung verantwortlich zeichnet, und übrigens auch schon einmal für Concept A in München tätig war, ganze Arbeit geleistet hat. Auch im Besprechungsraum steht ein Neumann-Lautsprechersystem in einer etwas exotischen Kombination aus KH 80 und den Basserweiterungen der, wie wir gleich lesen werden, gestorbenen O500 aus dem privaten Tessmarschen Homerecordingstudio. Wie kommt man auf die Idee, ein Kellerstudio als Industriegebäudekomplex weiterzuführen? Diese und andere Fragen werden wir im nun folgenden Gespräch erörtern.