Interview: Tonlegende Gerhard Steinke

Als ich Gerhard Steinke am Berliner Funkhaus in der Nalepastraße treffe, begegnet mir ein Mann, der mit seinen 90 Jahren frisch wie eh und je wirkt und dessen Augen zu funkeln beginnen, als wir durch das Foyer in den großen Saal 1 gehen. Auf dem Weg erzählt er die Anekdote, dass die großen Marmorsäulen im Eingang nach dem Brand 1956 mit Schuhcreme schwarz gefärbt werden mussten, weil ihre ursprüngliche Farbe nicht zu retten war. Oben angekommen schreitet Gerhard Steinke in Richtung Saal 1 und gerät dabei fast in Verzückung, als er die Leistung der verantwortlichen Akustiker Lothar Keibs und Gisela Herzog sowie des Chefingenieurs Gerhard Probst und Architekten Franz Ehrlich würdigt. Er wird nicht müde, mir im Verlaufe unseres Gesprächs fast hunderte Namen zu nennen, Techniker, Ingenieure, Entwickler und Künstler, die ihn auf seinem Lebensweg begleitet haben. Seine Botschaft, man ist nichts ohne die Menschen mit und denen und für die man arbeitet, ist die eines echten Teamplayers. Und doch darf und muss man Gerhard Steinke auch für sich, und ganz ungeteilt, würdigen – einen Mann, der aus seiner Position hinter dem Eisernen Vorhang heraus, so viel für die deutsche und internationale Entwicklung des 'guten Tons' erreicht hat.

Sein vor kurzem begangener 90. Geburtstag ist für uns der Anlass, ihm dieses Interview als kleine Würdigung zu widmen. Ein Interview in seinem geliebten Funkhaus, seinem Saal 1, den er bis heute immer wieder liebevoll betreut, wenn Not am Mann ist oder das Wissen eines Erstnutzers notwendig wird. Nachdem seine Erbauer nicht mehr leben, ist Gerhard Steinke wahrscheinlich derjenige, der heute noch am meisten über dieses akustische Meisterwerk an der Spree weiß. Sein Buch 'Der Raum ist das Kleid der Musik' beschreibt die Geschichte und das Besondere dieses Aufnahmesaals, und der vielen außergewöhnlichen Räume im ehemaligen Produktionskomplex Funkhaus Nalepastraße. Dabei war er eigentlich an einem anderen Standort im nahegelegenen Adlershof beschäftigt und verbrachte meist nur die zweite Hälfte seines Arbeitstages im Funkhaus. Denn sein Einsatz für den guten Ton war eben nicht lokal, sondern global –als Mitglied und Gruppenvorsitzender bei der ITU, dem OIRT (eine Art EBU der Ostblockstaaten) und als Vizepräsident der AES in Europa. Vom einfachen Techniker beim Landesfunkhaus Dresden arbeitete sich Gerhard Steinke hoch zum Direktor des Rundfunktechnischen Zentralamts (RFZ) in Berlin Adlershof, der zentralen Rundfunk-Forschungsanstalt der Deutschen Post. Dabei wäre es beinahe niemals dazu gekommen, denn durch das Schicksal seines Geburtsjahres geriet er noch in die Fänge der letzten Kriegsjahre, die natürlich sein Leben maßgeblich beeinflussten und auch gefährdeten.