Interview: Kraftwerk 3D

‚Immersive Audio‘ gehört heute zu den am meisten diskutierten Themen des professionellen Audiogewerbes. Jede Messe, jeder Kongress und auch die Foren im Netz sind voll von Beiträgen, die sich mit 3D-Sound beschäftigen. Es scheint fast so, als würde sich die gesamte Audiowelt nur noch um Mehrkanalton drehen, dabei wird Geld in den meisten Studios eigentlich immer noch mit Stereo verdient. Schon die Hoffnung, 5.1 Surround könnte sich als das neue Stereo durchsetzen, wurde nicht einmal ansatzweise erfüllt, obwohl wir alle sicher waren, dass eine so gänzlich neue, spektakuläre Hörperspektive einfach jeden überzeugen müsste. Was mit fünf Kanälen nicht funktioniert hat, versucht man jetzt mit noch mehr Kanälen und neuen, einfacher zu installierenden Systemen wie Soundbars und Upfiring-Lautsprechern. Ich würde mich nicht trauen, eine Prognose darüber abzugeben, wie erfolgreich immersive Audio in heimischen Wohnzimmern sein kann, aber dennoch wird schon fleißig für diesen Kundenkreis produziert. Abgesehen von dieser etwas schwerfälligen Grundlagendiskussion ist 3D-Sound ein unglaublich spannendes, technisches und künstlerisches Abenteuer, über das es sich zu sprechen lohnt. Wenn man ein solches Gespräch mit langjährigen Freunden führen kann, die gemeinsam ein weltweit aufsehenerregendes Projekt auf die Reise gebracht haben, macht das Ganze natürlich umso mehr Spaß.

Wir sprechen hier über ein wirklich besonderes Projekt, nämlich, das Gesamtwerk der Gruppe Kraftwerk auf einer Blu Ray mit 3D Sound und Video festzuhalten. Fritz Hilpert, in diesem Fall in der Rolle des Toningenieurs von Kraftwerk, übernahm die Dolby Atmos Mischungen aller auf acht Alben jemals veröffentlichten Kraftwerk-Titel, mit Hilfe von 3D-Spezialist Tom Ammermann. In dessen Studio wurde ein komplexes technisches Setup aufgebaut, um Fritz Hilpert die Möglichkeit zu geben, frei und kreativ arbeiten zu können, wie das in einer Musikproduktion nicht nur üblich, sondern sogar unverzichtbar ist, ohne das Zielformat Dolby Atmos aus den Augen zu verlieren. Ich kenne Fritz Hilpert seit Anfang der 80er Jahre, also noch deutlich vor seiner Kraftwerk-Zeit, die 1987 begann. Er arbeitete seinerzeit als Toningenieur im Tonstudio 55 im schönen Mülheim an der Ruhr, das sich in einem Nebengebäude des Hauses befand, in dem der Studio Presse Verlag seine ersten Firmenräume unterhielt. Im November 1984 gab Fritz Hilpert sein Debut als Gastautor des Studio Magazins, mit einem sehr umfangreichen Beitrag, der sich mit dem Klang der Snare-Drum ausführlich auseinandersetzte. Tom Ammermann begann in Hamburg als Musiker, Musikproduzent, Toningenieur und schließlich Studiobetreiber. Seit 2000 beschäftigt er sich mit Surround-Produktionen und machte 2008 seine ersten 3D-Projekte, verbunden mit der Erkenntnis, dass dringend spezialisierte Software benötigt wird, um 3D komfortabel mischen zu können. Es folgte die Entwicklung des Spatial Audio Designers und Tom rutschte tiefer in die Rolle eines 3D-Audio-Produzenten, Software-Entwicklers und 3D-Consultants.