Interview: C. Bechstein Digital, Oliver Hutz
Das Klavierbau-Unternehmen C. Bechstein blickt auf eine beeindruckende Firmenhistorie zurück, die 1853 in Berlin begann, mit seinem Gründer und Namensgeber Friedrich Wilhelm Carl Bechstein. Es ist vielleicht etwas weit hergeholt, aber Bechstein blickte schon früh im 19. Jahrhundert über den Tellerrand des klassischen Klavierbaus hinaus. Anfang der 1930er Jahre gab es bereits Bemühungen bei Bechstein, die in einem konkreten Produkt mündeten, so etwas wie ein ‚Digitalpiano‘ – nennen wir es ‚elektrisches Piano‘ – zu realisieren. Auch heute noch findet man in Museen den Neo-Bechstein, ein elektro-akustisches Instrument, das in den höheren Lagen ganz ähnlich klingt wie Jahrzehnte später ein Fender Rhodes, aber grundsätzlich ähnlicher dem Klavierklang angelegt ist, entwickelt in Zusammenarbeit mit Siemens/Telefunken und der Humboldt Universität zu Berlin. Die Saiten wurden mit Mikrohämmern angeschlagen, induktiv (jeweils 5) mit Tonabnehmern aufgenommen und über Lautsprecher und Röhrenverstärker wiedergegeben. Als ‚Vorläufer‘ des Digital Grand Plug-Ins, das zufälligerweise genau an meinem Geburtstag am 28. September der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde, kann man das Bechstein Vario-System bezeichnen, das es ermöglicht, den Klavierklang durch einen elektronischen Klang zu ersetzen, ohne dabei die Haptik des Bechstein Spielwerks einzubüßen. Die Hämmer treffen nicht mehr die Saiten, der Klang wird durch einen gesampleten Bechstein D282 Konzertflügel über Kopfhörer ersetzt. Der Gedanke, Klavier üben und spielen zu können, ohne die Nachbarn zu stören, steht hier allerdings noch deutlich im Vordergrund.
So erscheint es fast wie ein konsequent geplanter Schritt, wenn nun ein mit modernsten Produktionsmitteln digitalisierter D282 als Plug-In auf den Markt kommt, der den Bechstein-Klang in einer DAW-Umgebung komfortabel und in feinsten Nuancen nutzbar macht. Die zu diesem Zweck gegründete Bechstein Digital GmbH mit Sitz in Berlin hat ihre Entwicklungsabteilung in Kevelaer am Niederrhein angesiedelt, also lediglich 45 Autominuten vom Verlagssitz in Oberhausen entfernt. Die pure Neugier trieb mich an, einen Kontakt zum Geschäftsführer und Projektleiter des Digital Grand Plug-Ins herzustellen, weil ich schon immer einmal wissen wollte, wie man einen solch komplexes Instrument digital ‚abfotografiert‘. Was ich erfuhr, sprengte meine Vorstellungen auf breiter Front, denn die Firma C. Bechstein Digital mag zwar eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung sein, aber mit einem unbeschränkten Willen zur Perfektion. Ich traf Oliver Hutz in den neuen Geschäftsräumen des Unternehmens. Im Empfangsbereich wird man selbstverständlich von einem Bechstein-Flügel begrüßt, der mir dankenswerter Weise den Weg zur richtigen noch ‚firmenschildlosen‘ Tür wies. Ich sprach mit Oliver Hutz über die Entstehungsgeschichte und den technischen Aufwand, der getrieben wurde, um einen Bechstein D282 Flügel als digitales Plug-In-Instrument entstehen zu lassen.