Interview: Bruce Swedien

Bruce Swedien, der freundliche, liebenswerte Mann mit diesem unglaublichen Talent, starb am 16. November 2020 mit 86 Jahren in Gainesville, Florida. Seine Karriere begann 1959 in den Studios der Universal Recording Corporation von Bill Putnam in Chicago. Bruce war ein echter Künstler, der Musik und Klang in Farben sehen konnte. Die meisten werden ihn als Toningenieur des weltweit meistverkauften Michael Jackson Albums ‚Thriller‘ kennen, aber auch Natalie Cole, Roberta Flack, Mick Jagger, Jennifer Lopez, Paul McCartney, Chaka Khan, Count Basie, Duke Ellington, Lionel Hampton, Oscar Peterson oder Herbie Hancock begaben sich vertrauensvoll in seine Regler führenden Hände. Er wurde zwölf Mal für den Grammy nominiert und fünfmal mit diesem begehrten Preis ausgezeichnet. 2001 erhielt er für seine Verdienste als Toningenieur einen Ehrendoktortitel in Philosophie von der Technischen Universität Luleå in Schweden. Seine Philosophie: Zuerst kommt die Musik. Die Studio Magazin Redaktion hatte die große Ehre, Ende der 90er Jahre eine Workshop-Tournee mit Bruce Swedien zu begleiten und mit zu veranstalten. Jeder, der, ganz gleich, in welcher Rolle, dabei war, spricht heute noch begeistert davon. Um ihn und sein Lebenswerk im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten zu ehren, veröffentlichen wir noch einmal ein mit ihm in Köln während der Workshop-Tour geführtes Interview. Wenn Bruce von seiner Frau Beatrice ‚Bee‘ sprach, die ihn auf vielen seiner Reisen, so auch auf der Workshop-Tour in Deutschland, begleitete, leuchteten seine Augen. Man spürte diese Herzlichkeit und Liebe in allem, was er sagte und tat – Leidenschaft, Energie, Ruhe, Gelassenheit, Spaß, ein wirklich wunderbarer Mensch, der uns allen Vorbild und Inspiration sein kann, als Toningenieur und als Mensch.

Das Erkennungszeichen von Bruce Swedien ist ein Wikingerschiff, das sich auf all seinen Unterlagen wiederfindet und mit dem er gerne neben dem unverkennbaren Namenbezug auf seine schwedischen Ahnen verweist. Der freundliche Wikinger mit dem großen Herzen, damit ist Bruce Swedien schon sehr treffend beschrieben und er hat, wenn dies auch etwas geschwollen klingt, unsere Herzen im Sturm erobert. ‚Do I look nervous?‘ ist einer seiner zahlreichen Aussprüche, mit denen er seine Mitmenschen aufzuheitern versteht. Nein, nervös wirkt er eigentlich nie. Er strahlt die Ruhe aus, die unter Druck stehende Musiker während der Produktion so dringend brauchen. Sie vertrauen ihm allesamt, ganz ohne Frage. Es gehört eben doch etwas mehr dazu, ein guter Toningenieur zu sein, als die Bedeutung zahlreicher Knöpfe und Tasten in der Regie zu kennen. Bruce allerdings als Toningenieur zu bezeichnen, erzählt nur die halbe Geschichte, denn er arbeitet seit vielen Jahren als erfolgreicher Produzent und sogar, was viele vielleicht nicht wissen, auch als Komponist. Sicher ist er mit seinen 60 Jahren und fast 40 Jahren Berufserfahrung selten der Jüngste, wenn er ein Studio betritt, doch alle Altersunterschiede scheinen nach wenigen Minuten auf seltsame Weise aufgehoben. Sein spitzbübisches Lächeln, seine ausgelassenen Scherze aus einem schier unerschöpflichen Repertoire – da sitzt ein junger Mann wie ergonomisch integriert am Mischpult, schiebt seinen Kopf im Rhythmus der Musik vor und zurück und freut sich über jede gelungene Spur wie ein König. Dieser Mann hat etwas Geniales, das kann man ohne Übertreibung sagen, und seine wirklich in mancher Hinsicht erstaunlichen Fähigkeiten werden in diesem Gespräch auch noch zur Sprache kommen. Ich kenne Bruce jetzt seit gut einem Jahr, nämlich seit der ersten Bruce Swedien Experience Tour 1997, die uns durch drei deutsche Städte führte, doch gibt er mir das Gefühl, einer seiner alten Kumpel zu sein, mit denen er schon seit Jahrzehnten durch die Studios zieht. Das macht es einfach...