Feature: Genelec GLM Grade

Was man in der Blütezeit professioneller Studios nicht für denkbar gehalten hätte, gehört heute ganz selbstverständlich zum Alltag: Auf breiter Front existiert ein ausgesprochen großes Interesse an raumakustischen Zusammenhängen und es wird diskutiert und gemessen, was das Zeug hält. Jedes Diskussionsforum ist voll von Zerfallspektren, Frequenz- und Nachhallzeitkurven, verbunden mit einer ausgiebigen Diskussion der Fakten und geeigneten Problemlösungen – nicht immer fachlich korrekt, aber mit großer Motivation zu lernen und raumakustischen Problemen auf den Grund gehen zu wollen. Ich meine nicht das allgemein bekannte ‚er bemühte sich stets, seine Aufgaben gewissenhaft zu erledigen‘ in Arbeitszeugnissen, sondern die allerorten gewonnene Erkenntnis, dass die Qualität der Abhörsituation die wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche und entscheidungssichere Arbeit im Studio ist – nicht nur für den Profi, der vielleicht eher dazu neigt, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sondern auch für den ambitionierten Amateur, der in der Regel mehr Zeit in Weiterbildung und Selbsthilfe investieren kann. Einen Beitrag zum DIY-Trend möchte der finnische Lautsprecher-Spezialist Genelec jedoch nicht leisten, sondern er zielt mit der sehr spannenden Erweiterung seines GLM-Systemgedankens darauf ab, mehr Bewusstsein für die Bedeutung der Raumakustik zu wecken und Zusammenhänge transparenter zu machen.

Es ist – in diesem Zusammenhang – eine bekannte Tatsache, dass ein Lautsprecher, der aus einem Werk kommt und in einem reflexionsarmen Raum gemessen und linear abgestimmt wurde, in einem Abhörraum nicht so linear spielt, wie er vom Entwickler gemeint war, selbst, wenn dort raumakustische Maßnahmen ergriffen wurden. On-Board-Drehregler und Dip-Schalter, mit denen man Geschmacks- und Korrekturfilter bedienen kann, sind vielen Anwendern suspekt, da sie ja de facto eine Abweichung von der Linearstellung bewirken. Die Idee, dem Anwender ein absolut einfach zu bedienendes, nahezu automatisch arbeitendes Werkzeug an die Hand zu geben, das nach Möglichkeit eine lineare Übertragungsfunktion am Abhörplatz herstellt, wurde bei Genelec geboren, lange bevor Studios begannen, mit der Freeware REW5 (Room EQ Wizard) ihre Regieräume auf breiter Front zu messen und sich die Bedeutung der Raumakustik bewusst zu machen (an dieser Stelle erfolgt ein Aufruf an alle, die diese Software nutzen, doch der freundlichen Bitte um eine Spende nachzukommen). Die Dip-Schalter waren im Prinzip die Vorstufe des Smart Active Monitoring (SAM), das der Lautsprecherspezialist aus dem hohen Norden zu einem durchgängigen Produktmerkmal des gesamten Lieferprogramms erhob. Das GLM (Genelec Loudspeaker Management) sorgt nicht nur dafür, dem Anwender zu zeigen, wie die Übertragungsfunktion an der Abhörposition aussieht, sondern kann mit einem umfangreichen DSP-Filterset auch für sinnvolle elektronische Korrekturen sorgen. Das System basiert auf einem Interface, einem kalibrierten Messmikrofon, der AutoCal-Software, ausgestattet mit einer gewissen ‚Intelligenz‘ und schließlich der DSP-Bordmittel im Lautsprecher, die Frequenz-, Laufzeit und Pegelkorrekturen sowie das Bass-Management umsetzen. Die Lösung sollte keine fremde Software oder externe Hardware erfordern, sondern fester Bestandteil des Monitorsystems sein. Ich will hier nicht verschweigen, dass es eine ganz Reihe praktikabler, externer Hard- und Software-Lösungen für eine elektronische Korrektur von Lautsprechersystemen gibt, wie zum Beispiel Trinnov, Real Sound Lab Coneq, miniDSP, Dirac Studio oder Sonarworks, die alle ähnliche, im Detail aber unterschiedliche Ansätze verfolgen. Bislang gibt es jedoch noch nicht sehr viele integrierte Korrektursysteme à la Dutch & Dutch oder Adam Audio, die sich einen Software-Partner suchen, um eine automatische Konfiguration der internen Korrekturfilter zu ermöglichen. Auch Neumanns MA-1-System mit Kalibrierungsalgorithmen, die in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut entstanden, soll nicht unerwähnt bleiben. Genelec gehört mit seinem SAM/GLM-System zu den Herstellern, die ihre Hausaufgaben ganz grundlegend und vor dem einsetzenden Trend gemacht haben, was sicher ein wesentlicher Teil des andauernden Erfolges dieser Marke ist.