Testbericht: Soundtheory Kraftur
Soundtheory ist ein außergewöhnliches Software-Unternehmen. Erst nach 14 Jahren Forschung veröffentlichten sie mit Gullfoss ihr erstes Produkt. Das war 2016. Acht Jahre später bringen sie nun mit ‚Kraftur‘ ihr zweites Plug-In auf den Markt. Das allein weckt schon hohe Erwartungen in mir. Aber auch die anerkannt hohe Qualität von Gullfoss und der völlig eigenständige Ansatz von Soundtheory versprechen, dass mit Kraftur nicht nur irgendein weiterer Clipper, sondern etwas Einzigartiges vorgestellt wird. Was die Einzigartigkeit betrifft, zitiere ich am besten aus der About-Seite der Homepage: ‚… Wir haben mehr als ein Jahrzehnt an einem alternativen Ansatz zur Signalverarbeitung gearbeitet, der von der Quantentheorie und mathematischen Methoden wie der nicht-kommutativen Algebra, der Differentialgeometrie und der Informationstheorie inspiriert ist. Klang, Theorie. Sound, Theory. Wir haben tiefgreifende Erkenntnisse darüber gewonnen, wie das menschliche Gehirn Schall verarbeitet. Diese Forschung mündete in die Entwicklung neuer und einzigartiger Methoden für die Echtzeit-Audioverarbeitung. Besonders stolz sind wir auf unser hochentwickeltes Modell der menschlichen Hörwahrnehmung, das es uns ermöglicht, Klang so zu analysieren, wie ein Mensch ihn wahrnehmen würde. Unsere Technologie ist völlig anders als alles, was es bisher gab. Daher ist es erwähnenswert, dass Gullfoss keine künstliche Intelligenz (AI), neuronalen Netze, Fletcher-Munson-Kurven, traditionelle DSP-Methoden oder maschinelle Lernalgorithmen einsetzt.‘
Was ist Kraftur?
Bis heute ringe ich mit der Erklärung, was Gullfoss eigentlich ist. Bei Kraftur ist es etwas einfacher, denn es handelt sich um ein Single- und Multiband-Sättigungs- und Clipping-Plug-In, insbesondere für das Mastering. Gerade beim Mastering können diese Prozesse besonders problematisch sein. Sättigung und Clipping von komplexem Klangmaterial, wie beispielsweise einem fertigen Mix, kann sehr schnell zu unangenehmen Artefakten wie Intermodulationsverzerrungen führen, und Kraftur verspricht, dies deutlich besser zu lösen als andere. Aber allzu einfache Erklärungen sind auch bei Kraftur nicht angebracht, denn wenn man das Plug-In benutzt und die Ergebnisse hört, wird klar, dass vieles unter der Haube passieren muss, das uns der Hersteller schlichtweg nicht zu erklären bereit ist. Ich habe natürlich nachgefragt und zum einen ist es Betriebsgeheimnis, zum anderen ist es aber auch zu kompliziert, um es einem Nicht-Wissenschaftler zu erklären, wie man in der Einleitung anhand des About-Textes schon gut nachvollziehen kann. Dazu passt auch die allzu eingeschränkte Parametrisierung Krafturs, das meiste passiert hier automatisch. Die Beschreibung des Herstellers bringt uns der Sache immerhin ein wenig näher.
In der ersten Stufe handelt es sich laut diesem um einen Lautheitsoptimierer. Das Signal wird lauter, ohne die Artefakte zu erzeugen, die man von ‚normalen‘ DSP-Algorithmen gewohnt ist. Insbesondere werden Transienten nicht einfach weggebügelt und der ursprüngliche dynamische Eindruck nicht zerstört. Die Dynamik wird also begrenzt, ohne die sonst üblichen klanglichen Nachteile wie Pumpen, unangenehme Verzerrungen oder kraftlose Transienten. Im nächsten Schritt, wenn man das Signal weiter in den Prozess fährt, erhält man mehr angenehme Sättigung, und wenn man noch weiter geht, warme Verzerrungen und reiche Klangfarben. Das ist zunächst einmal Marketingsprech des Herstellers und ich bin gespannt, ob ich das bei meinen Tests auch so hören werde. Nicht zu vergessen, dass die Intensität der Sättigung in drei Bändern individuell einstellbar ist. Am Ende dieses Prozesses gibt es noch einen Clipper, der prinzipbedingt weitere Verzerrungen hinzufügt. Das klingt eigentlich wenig spektakulär und die Eingriffsmöglichkeiten sind, wie bereits erwähnt, ähnlich begrenzt wie beim ersten Produkt des Unternehmens.