Testbericht: Eventide Omnipressor

Da es den Omnipressor von Eventide auch als Plug-In gibt, sei diesem Beitrag die Information vorangestellt, dass wir hier eine neu aufgelegte Hardware-Version betrachten, deren Ursprung auf das Jahr 1972 zurückgeht. Man muss nur alt genug sein, um Geräte aus den frühen 70ern auch schon in dieser Zeit benutzt zu haben, wobei inzwischen vielleicht bekannt ist, dass meine Studio-Laufbahn im Jahre 1974 begann, dem Jahr, in dem der ‚Black-Meter‘-Omnipressor 2830 das Licht der Welt erblickte, so wie wir ihn heute im Großen und Ganzen – auch als Plug-In – kennen. Es dauerte für mich ganz persönlich allerdings noch zwei weitere Jahre, bevor ich ein solches Gerät erstmals 1976 in den Dierks Studios in die Hände bekam. Doch das ist eine andere Geschichte. Eigentlich verbinden die meisten heute die Marke Eventide mit dem Harmonizer in seinen vielfältigen Varianten vom ‚einfachen‘ Pitch Shifter bis zum geradezu übermächtigen Multi-Effekt-Prozessor, aber diese Firma setzte auch viele andere großartige Geräteideen um, die bis heute, inzwischen eher in virtueller Gestalt einer Software, in den Studios zum Einsatz kommen. Zu den Geräten, mit denen ich über die Jahre in Studios arbeiten durfte, zählten der Instant Phaser, die DDL 1745A Delay Line, der ‚Ur-Harmonizer‘ H910 und folgende Modellvarianten, der Instant Flanger und schließlich auch der in den frühen 80ern vorgestellte Effektprozessor SP2016 mit seinen außergewöhnlich klingenden Nachhallalgorithmen, als echte Alternative zu den seinerzeit etablierten Marken.

Eventide wurde von drei Männern unterschiedlicher beruflicher Herkunft und Qualifikation gegründet – dem Toningenieur Stephen Katz, dem Erfinder Richard Factor und dem Geschäftsmann und Patentanwalt Orville Green, dem ein Tonstudio namens ‚Sound Exchange‘ in New York City gehörte, als dessen Ableger Eventide betrieben wurde, eine Marke, die bis heute im Audio-Business allgegenwärtig geblieben ist – allerdings mit einem eher ausgedünnten Hardware-Angebot. Umso erstaunter war ich zu erfahren, dass das Unternehmen seinen Omnipressor zum 50. Jubiläum in der erstmals 1974 vorgestellten ‚Black-Meter‘-Version neu aufgelegt hat, ausgestattet mit Lundahl-Übertragern am Ein- und Ausgang, einer überarbeiteten, symmetrierten Sidechain, Stereo- und Master-Verkopplungsmöglichkeiten und einem Blendregler für Parallelkompression. Alle Eingänge liegen als symmetrische und unsymmetrische XLR- und TRS-Armaturen vor. Schon bei seiner Erstvorstellung wurde der Omnipressor dem damals staunenden Markt als ‚dynamisches Effektgerät‘ präsentiert, denn er vereinte alle denk- und undenkbaren Formen eines Regelverstärkers, eines Kompressors, Limiters, Expanders und Noise Gates in einem geradezu aberwitzigen Regelbereich. Allerdings führt die Bezeichnung ‚Effektgerät‘ potentielle Anwender manchmal auch auf die falsche Fährte, denn, wie unsere Messtechnik noch zeigen wird, verrichtet der Omnipressor seine Arbeit auf erstaunlich hohem technischen Niveau. Das heißt, er kann auch ganz seriös als Kompressor, Limiter oder Leveler eingesetzt werden. Durch seine Dynamikumkehrfunktion mit negativen Ratiowerten werden hochpegelige Eingangssignale klein- und niedrigpegelige Eingangssignale groß. Musikalisch gesehen kehrt dies die Attack-Decay-Hüllkurve von gezupften Streichern, Schlagzeug und ähnlichen Instrumenten praktisch um und erzeugt, auf ein Sprachsignal angewendet, den Effekt einer Art ‚Rückwärtssprechens‘. Besonders diese ‚Taschenspielertricks‘ mit extremen Regelvorgängen verhalfen dem Gerät zu seiner weitreichenden Popularität und ließen darüber vergessen, dass der Omnipressor ein vielseitig begabter Regelverstärker ist, der exakt erwartungsgemäß regelt und sich damit sogar für den Mastering-Betrieb eignet. Allerdings braucht man dazu ein zweites Gerät. Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, ein neu aufgelegter Omnipressor käme im Stereogewand, denn der Aufwand für eine solche Ausstattung würde sich in durchaus darstellbaren Grenzen bewegen.