Hintergrund: Zweikanal-Stereophonie
Wie komme ich dazu, hier etwas über Stereophonie zu schreiben? Das Studio Magazin wird schließlich von Leuten gelesen, die alle ziemlich genau wissen sollten, was Stereophonie ist und wie sie funktioniert. Meine Motivation ist, dass ich in meiner 26-jährigen studiopraktischen Erfahrung etwa 700 Chöre und Orchester und einige hundert andere Dinge wie Akustikgitarren, Flügel, etliche kleine Ensembles, Drums und einmal sogar eine komplette Heavy Metal Band nur mit einer Stereophonie aufgenommen habe. Aus diesem reichen Erfahrungsschatz kann ich einige Tipps für die Praxis mit Stereophonien und den zu erwartenden Klangeindrücken geben.
Obwohl ich mich auch schon intensiv mit der Mehrkanal-Stereophonie beschäftigt habe, möchte ich es vorerst bei der Zweikanal-Stereophonie belassen, da dies allein schon ein sehr weites Feld ist. Für diejenigen, die neben meinen praktischen Erfahrungen noch tiefer in die Theorie einsteigen wollen, kann ich die Internetseite www.sengpielaudio.com wärmstens empfehlen. Diese Seite war für mich ein absoluter Augenöffner, auch wenn ich nicht alle Formeln gleich verstanden habe.
Die Verarbeitung von zwei oder mehr Monokanälen zu einer Stereomischung ist für mich keine Stereophonie. Eine 2-Kanal-Stereophonie ist eine Aufnahme mit mindestens und meistens genau zwei Mikrofonen, die das originale Schallfeld möglichst adäquat auf zwei Lautsprechern mit einem Winkel von 60 Grad abbilden soll, es sei denn, man will aus künstlerischen Gründen bewusst keine adäquate Abbildung, dann braucht man aber auch nicht unbedingt eine Stereophonie.
Seit etwa hundert Jahren wird darüber nachgedacht, wie man Tonaufnahmen noch realistischer aufzeichnen und wiedergeben kann. Man kam auf die Idee, statt eines Lautsprechers zwei zu verwenden. Hörversuche zeigten, dass die räumliche Auflösung – bei nur zwei Lautsprechern spricht man von Stereobreite – bei einem Winkel von 60 Grad am besten funktioniert. Dieses gleichseitige Dreieck mit dem Hörer in der Mitte zwischen den Lautsprechern ist bis heute der Standard für die Zweikanal-Stereophonie. Stellt man die Lautsprecher zu weit auseinander, ist es sehr schwierig, eine stabile Phantommitte zu erhalten, rückt man sie näher zusammen, ist die Stereobreite zu gering. Bei der heutigen 3D-Aufstellung von 7.1.4 hat man auf der Hörebene, wenn man den Centerlautsprecher kurz vernachlässigt, etwa 6 mal 60 Grad, so dass dieses Prinzip der 60-Grad-Aufstellung der Lautsprecher auch bei der 360-Grad-Rundumbeschallung beibehalten wurde. Der Centerlautsprecher hat in einer 3D-Stereophonie eigentlich nichts zu suchen, er kommt aus dem Kino, wo man eine stabile Mitte für die Dialoge braucht, und auch in der Musikproduktion kann er zur Stabilisierung der Mitte sinnvoll eingesetzt werden, aber kaum für eine normale Stereophonie (Ausnahmen bestätigen die Regel, siehe Morten Lindberg von 2L).
Als normale Stereophonie würde ich alle Verfahren bezeichnen, die sich in den letzten hundert Jahren für die zweikanalige Lautsprecherwiedergabe etabliert haben. In den allermeisten Fällen besteht sie logischerweise aus zwei Mikrofonen. Wie diese eingesetzt werden können und wie die verschiedenen Verfahren klingen, möchte ich in diesem Artikel kurz beleuchten und auch einige Praxistipps geben.